„Wir fühlen uns wohl“

- Das Interview der Woche: Blaz Blagotinsek

Wind und Regen – der herbstliche Blick auf die Förde kann der Gemütlichkeit in der Lobby vom „James Hotel“ nichts anhaben. Drei junge Handball-Fans entdecken Blaz Blagotinsek. Der Slowene, der seit Sommer für die SG Flensburg-Handewitt spielt, gibt schnell ein paar Autogramme. Dann stellt sich der 29-Jährige zu seinem ersten Interview auf Deutsch.

Blaz, alle reden über das Wetter, wir dann auch. Kannst du der dunklen Jahreszeit etwas Positives abgewinnen?
Blaz Blagotinsek: Ich wurde gleich im Sommer, als ich neu war, so richtig abgehärtet. Die ersten zwei bis drei Wochen im Juli regnete es viel. Und damit nicht genug: Ich war allein im Hotel. Meine Frau und meine Tochter kamen erst später nach, als wir ein festes Zuhause hatten. Mal sehen, wie ich die nächsten zwei bis drei dunklen Monate überstehe – aber ich bin gut vorbereitet.

Das Klima ist in der Tat etwas anders als im Süden Europas. Hast du dich trotzdem im Norden gut eingelebt?
Blaz Blagotinsek: Ja, in jedem Fall. Der August und der September waren wirklich schön. Meine Familie ist ja auch da, und wir haben es mit Handewitt gut getroffen. Unsere Tochter ist im Sportkindergarten. Da wird jeden Tag darauf geachtet, dass die Kinder genug Bewegung bekommen. In unserer Umgebung gibt es genug Möglichkeiten zum Spazierengehen, zum Beispiel ein Naturschutzgebiet. Da sind wir gerne mit unserem Hund. Kurzum: Wir fühlen uns wohl.

Du hast mit Ljubomir Vranjes schon in Veszprém und in der slowenischen Nationalmannschaft zusammengearbeitet. Tat es gut, bei der Eingewöhnung ein vertrautes Gesicht zu sehen?
Blaz Blagotinsek: Wir hatten eine gute Zusammenarbeit, und ich durfte unter ihm immer viel spielen. Es ist sehr angenehm, ihn bei der SG wiederzusehen. Wir unterhalten uns übrigens auf Serbokroatisch. Das lernte ich, weil ich schon viele Teamkameraden oder Trainer vom Balkan hatte. Die Sprache ist ähnlich wie Slowenisch, aber trotzdem verstehen uns Serben und Kroaten nicht. Sie sagen, dass wir beim Sprechen singen würden.

Ich habe gelesen, dass du in Celje, der slowenischen Handball-Stadt schlechthin, geboren wurdest. Da war der Weg zum Handball sicherlich vorgezeichnet?
Blaz Blagotinsek: Also geboren bin ich in Slovenj Gradec, und dann lebten wir in Velenje. Erst als ich sieben Jahre alt war, zogen wir in die Nähe von Celje. Für meine Handball-Karriere entscheidend war die Europameisterschaft 2004. Die fand in Slowenien statt. Unser Nationalteam schaffte es bis ins Finale. Es herrschte eine Riesen-Euphorie im Lande. Alle wollten in die Halle, die Leute saßen auf der Treppe. Ich war noch klein, sah das Endspiel im Fernsehen – und wollte unbedingt Handballer werden. Ich spielte zunächst in der Schule. Der RK Celje hatte aber alles im Blick, und ich durchlief dann alle Altersklassen bis zu den Männern. Zwischendurch wurde ich für ein paar Monate nach Krsko ausgeliehen. 2014 hatte ich es aber geschafft – und ich hatte meinen Platz im Männer-Team.

Wie oft bist du noch in Celje?
Blaz Blagotinsek: Manchmal sind die Lehrgänge unseres Nationalteams in Celje, sonst nur ein paar Tage im Winter und vor allem im Sommer. Wir sind dann zu Besuch bei der Familie. Flensburg erinnert mich übrigens an Celje. Die Größe und die Einkaufszentren sind ähnlich. Celje liegt auch an einem Gewässer, am Fluss Savinja.

Warum hast du 2016 den RK Celje verlassen und bist nach Veszprém gewechselt?
Blaz Blagotinsek: Ich hatte ein gutes Angebot und Veszprém eine sehr gute Mannschaft. Plötzlich stand ich mit Profis wie Aaron Palmarsson. Christian Zeitz, Laszlo Nagy, Momir Ilic oder Andreas Nilsson in einem Team. Ich hatte eine gute Zeit, machte wichtige Schritte in meiner Entwicklung. Insgesamt vier Mal waren wir beim Final Four in Köln. Dort habe ich alle Platzierungen durch – mit Ausnahme des ersten Platzes.

Du warst sechs Jahre in Veszprém. Dort gibt es eine der lautesten Hallen und die frenetischsten Fans in Europa. Die Campushalle steht dem kaum nach. Ist dir eine solche Atmosphäre wichtig oder bekommst du während des Spiels so etwas nicht mit? 
Blaz Blagotinsek: Es ist sehr gut, wenn die Halle dabei ist. Wie es ohne Zuschauer ist, merkten wir Spieler in der Corona-Zeit. Es war schrecklich. Spiele wirkten wie ein normales Training – es fehlte an jeglicher Atmosphäre und Emotionen von den Rängen. Was interessant ist: In Veszprém war jedes Spiel in der EHF Champions League ausverkauft, in Flensburg ist es so in der Bundesliga.

Worüber freust du dich mehr: Über einen guten Block in der Abwehr oder ein eigenes Tor?
Blaz Blagotinsek: (schmunzelt) Über beides. Es macht natürlich viel Spaß, wenn wir in der Abwehr zusammenstehen und Gegentore verhindern. Ich freue mich aber auch über gute Aktionen von Johannes Golla. Und natürlich will man als Handballer auch Tore werfen.

Durch deinen Wechsel vor gut einem Jahr nach Göppingen konntest du die Bundesliga schon etwas kennenlernen. War es eine große Umstellung, als du aus der ungarischen Liga in die Bundesliga gekommen bist?
Blaz Blagotinsek: Ich hatte da bereits den Vertrag bei der SG unterschrieben. Mein Plan war es, schon etwas Deutsch zu lernen und vor allem die Bundesliga besser kennenzulernen. Sie gilt ja als beste Spielklasse der Welt – und daran wollte ich mich gewöhnen. In Ungarn gab es nur das Spitzenspiel gegen Szeged und vielleicht noch ein oder zwei andere halbwegs gefährliche Mannschaften. Dagegen kann in der Bundesliga alles passieren. Das erlebten wir beispielsweise erst vor Kurzem in Stuttgart. Mit Göppingen lief es in der Bundesliga nicht so gut, dafür kamen wir aber in der EHF European League ziemlich weit.

Der Trend im Handball der letzten Jahre, geht immer mehr zu kleinen, schnellen Spielern. Ist das für dich ein Problem? Spielst du aufgrund deiner Größe lieber gegen große, schwere Spieler?
Blaz Blagotinsek: Es ist irgendwie eine Entwicklung der letzten Jahre, dass immer mehr der Fokus auf Tempo gelegt wird. Dann wird praktisch von allen Positionen geworfen, und die Größe ist gar nicht mehr so relevant. Dazu kommt, dass man bei kleinen Spielern schnell überrascht wird. Da rechnet man mit einem Wackler – und plötzlich wird geworfen. Und wenn ich meine Arme ausstrecke, kann es passieren, dass jemand gegenläuft. Das sieht dann gefährlich aus, und ich bekomme sogar eine Zeitstrafe. Ganz ehrlich: Ich spiele lieber gegen große Handballer.

Du bist einer der wenigen Handballer die auch einen anderen Beruf neben Handball angeben. Hast du als Media-Techniker gearbeitet?
Blaz Blagotinsek: Mein Vater hatte viele Jahre eine Firma für Video-Filme und Fotografie. Da half ich mit und gestaltete auch eine Webseite. Ich besuchte eine medientechnische Schule in Celje. Später studierte ich auch. Ich hatte noch 100 Stunden Praxis zu absolvieren, als ich nach Veszprém wechselte. Seitdem pausiere ich. Vielleicht mache ich nach meiner Handball-Karriere im Medienbereich weiter.

Im Sport gehören Siege und Niederlagen eng zusammen. Was machst du, um dich nach einem verlorenen Spiel aufzumuntern?
Blaz Blagotinsek: Ich versuche, mich abzulenken. Wenn ich mit unserer Tochter spiele oder mit dem Hund spazieren gehe, schalte ich komplett ab.

Jetzt ist die Zeit der Nationalteams. Was bedeutet es für dich, für Slowenien zu spielen?
Blaz Blagotinsek: Viel. Dafür nehme ich es gerne in Kauf, dass ich seit zehn Jahren meinen Geburtstag im Januar nicht mehr feiern konnte. Denn seit der Weltmeisterschaft 2015 war ich immer bei den großen Turnieren. Am liebsten erinnere ich mich an die Weltmeisterschaft 2017 zurück, als wir in Frankreich Bronze holten. Gar nicht so gerne denke ich an Ägypten 2021. Da saßen wir zwei Stunden im Bus, um vom Hotel in die Halle zu kommen. Was uns im Gegensatz zu Frankreich, Dänemark oder Deutschland fehlt, ist die Breite an der Spitze. Für ein so langes, intensives Turnier braucht man eigentlich drei Top-Spieler pro Position.

Eine letzte Frage: Gefällt dir der Job als Wäschewart? Wie kamst du zu dieser Aufgabe?
Blaz Blagotinsek: (schmunzelt) Ich habe drei Säcke mit Wäsche im Auto. Es ist immer ein Spieler, der neu in die Mannschaft kommt und nach Handewitt zieht, der dieses Amt übernehmen muss. Ich habe Johan Hansen abgelöst. Eigentlich ist es nicht schlimm. Nach dem Training muss man etwas warten, bis alle ihre gebrauchten Klamotten ausgezogen haben. Dann bringt man die Säcke zur Wäscherei in Handewitt. Die liegt auf dem Weg nach Hause.