„Viele, neue Erfahrungen“

- Das Interview der Woche: Magnus Rød

Fast sechs Jahre gehört Magnus Rød nun zum Stamm der SG Flensburg-Handewitt. In wenigen Wochen wird er seine Zelte abbrechen und nach Norwegen zurückkehren. Mit weit über 200 Einsätzen und zwei deutschen Meisterschaften zählt der Linkshänder zu den Akteuren, die Spuren hinterlassen werden. Die Redaktion sprach mit dem 25-Jährigen.

Magnus, als wir das erste Mal miteinander sprachen, hattest du wenige Tage zuvor einen großen Dorsch vor der norwegischen Küste gefangen. Hast du auch in Flensburg einen guten Platz zum Angeln gefunden?
Magnus Rød: Nein, leider nicht. Mir fehlte die Zeit, den nötigen Angelschein zu machen. Aber bei meinen Spaziergängen am Hafen habe ich schon manchmal gedacht: Hier wäre ein guter Platz!

Also fischt du weiterhin nur im norwegischen Heimaturlaub?
Magnus Rød: Ja, aber das war zuletzt nur im Sommer. Dann bin ich gerne fünf Tage am Stück mit Freunden unterwegs zu den Lofoten oder nach Bodø, wo es herrliche Fjorde gibt.

War also der fehlende Angelschein der Hauptgrund für deinen Wechsel nach Trondheim und zum norwegischen Klub Kolstad IL?
Magnus Rød: (schmunzelt) Jetzt könnte ich natürlich einfach sagen: Ja! Es ist schon so etwas wie Lebensqualität, in einem norwegischen Fjord zu sitzen und zu angeln. Aber natürlich gab es wichtigere Gründe.

Und welche sind das?
Magnus Rød: Es reizt mich sportlich, dabei zu helfen, den Verein Kolstad IL an die Spitze zu bringen. Als ich mich mit 19 Jahren dazu entschied, zur SG zu wechseln, hatte ich gedacht, dass ich vielleicht 15 Jahre im Ausland spielen würde. Nun besteht die Möglichkeit, zu den Pionieren zu gehören, wenn in Trondheim etwas Großes entsteht. Außerdem kommen große Teile meiner Familie aus Trondheim und leben dort noch immer. Ich kann meine Großeltern bald viel häufiger sehen.

Weißt du schon, wie du in Trondheim wohnen wirst?
Magnus Rød: Ja, es ist schon alles in trockenen Tüchern. Ich werde eine Doppelhaushälfte etwas außerhalb von Trondheim beziehen. Ich habe mich bewusst für etwas anderes entschieden als in Flensburg, wo ich mitten in der Stadt in einer Wohnung lebe.

Wie lange hast du dich an Kolstad IL vertraglich gebunden? Und besteht die Möglichkeit, dass du irgendwann wieder in die LIQUI MOLY HBL oder nach Flensburg zurückkehren wirst?
Magnus Rød: Mein Vertrag läuft erst einmal bis 2026. Aber ich bin ja noch nicht einmal bei Kolstad IL angekommen, soweit blicke ich nicht nach vorne. Meine weitere Zukunft wird gewiss von vielen Faktoren abhängig sein. Entscheidend wird vor allem sein, ob die großen Ziele erreicht werden. Ob Kolstad IL nicht nur die norwegischen Meisterschaften gewinnt, sondern auch in die Spitze der EHF Champions League vorstoßen kann. Vorbild sind die Frauen von Kristiansand, die zuletzt zwei Mal den höchsten europäischen Wettbewerb gewannen. Da ist Kolstad erst ganz am Anfang. Immerhin gewann mein zukünftiger Klub die Hauptrunde mit nur einer Niederlage und schaffte auch den Sprung in die Endspiele souverän.

Lass uns etwas zurückschauen: Als du 2017 zur SG kamst, warst du gerade 20 Jahre alt. Wie siehst du deine persönliche Entwicklung?
Magnus Rød: Als ich vor sechs Jahren zur SG gewechselt bin, war ich ein junger Mann ohne Erfahrung. Ich musste noch viel lernen. Damals gab es zum Glück Spieler wie Tobias Karlsson, Lasse Svan oder Thomas Mogensen, die mir schnell die Bedeutung von Mentalität und Willen verdeutlichten. Das erste Jahr bestand aus viel Training und vielen Reisen, aber noch aus wenigen Spielen. In der zweiten Saison bin ich dann explodiert, spielte 2019 auch eine sehr gute Weltmeisterschaft. Auch die dritte Saison lief eigentlich gut, doch dann kam die Corona-Pandemie. Es folgte eine spezielle Zeit, bei der sich immer die Frage stellte, ob wir überhaupt spielen können. Unter dem Strich gehe ich mit vielen, neuen Erfahrungen. Ich habe gelernt, was man alles leisten muss, um im Leistungssport Erfolg zu haben.

Was waren für dich die Höhepunkte?
Magnus Rød: Als erstes muss man die beiden Meisterschaften und auch den Super Cup von 2019 nennen. Unvergessen meine erste Saison bei der SG, als wir lange Zeit gar nicht so gut lagen, sich aber plötzlich die große Möglichkeit ergab, die Meisterschaft zu gewinnen. Bei der Titelverteidigung waren wir so gefestigt, dass wir überhaupt nur zwei Spiele verloren – und die äußerst knapp. 2021 waren wir ganz dicht dran: Nach 34 Spieltagen reichte es nicht, weil wir irgendwann im Oktober einen blöden Punkt verloren hatten. Ein Beispiel, wie ausgeglichen die LQUI MOLY HBL ist. In Norwegen wird es erst im Frühling mit den Playoffs interessant, in Deutschland ist jedes Spiel wichtig – auch das vom August.

Gegenfrage: Was war der Tiefpunkt mit der SG?
Magnus Rød: Im April erlebten wir ein Tief. Traurig bin ich auch darüber, dass wir nie das Final Four der EHF Champions League erreichten. Gegen Aalborg hatten wir 2021 eine sehr gute Gelegenheit, doch letztendlich war das erste Viertelfinale nicht gut genug.

Etwas zur Nationalmannschaft: Wie ist für dich, wenn du jedes Mal vom Verein ins Nationalteam kommst?
Magnus Rød: Es ist immer etwas speziell für Norwegen zu spielen. Es ist mit Stolz verbunden, das norwegische Trikot zu tragen. Was inzwischen sehr gut funktioniert, ist die Zusammenarbeit zwischen Verein und Nationalteam. Jetzt wird mehr auf die Belastung geschaut. Wenn die SG zum Beispiel direkt nach der Länderspielwoche eine wichtige Begegnung hat, wird man beim letzten Spiel am Sonntag auch mal geschont.

Einige meinen, Norwegen hätte den Zenit überschritten. Es kommen nicht genug Talente nach. Wie siehst du es?
Magnus Rød: Im Moment sieht es vielleicht so aus. Aber als Norwegen 2017 und 2019 bei der Weltmeisterschaft jeweils Silber gewann, hat das viele Kinder motiviert, Handball zu spielen. Diese Jungen müssen erst einmal ins richtige Alter kommen. Wie ich gehört habe, gibt es ein gutes Talent-Scouting, in das auch Nationaltrainer Jonas Wille eingebunden ist, um die Spieler mit den Extra-Fähigkeiten zu entdecken.

Im Januar 2024 ist die Europameisterschaft in Deutschland. Freust du dich schon auf die deutschen Hallen?
Magnus Rød: Überall in Deutschland sind die Arenen voll und besitzen viel Atmosphäre. Im Gegensatz zu Norwegen, wo die Zuschauer oft nur klatschen, gibt es eine richtige Fan-Kultur. Gerade die „Hölle Nord“ werde ich vermissen.

Werden wir dich nach dem Sommer in der Campushalle wiedersehen?
Magnus Rød: Am liebsten wäre es mir, wenn wir irgendwann in der EHF Champions League gegeneinander spielen. Ich bin mir aber absolut sicher, dass ich auf einen Besuch vorbeischauen werde, wenn es zeitlich passt. Flensburg ist meine Stadt geworden. Es gibt viele schöne Dinge und vor allem Freunde.