„Noch nie so wohl gefühlt“

- Das Interview der Woche: Johan Hansen

Die Spieler der SG Flensburg-Handewitt bewegen sich zwischen Hanteln und Gewichten. Es fliegt nicht der Handball, es läuft ein Fitness-Training in der „Flensburg Akademie“. Mittendrin Johan Hansen. Der 28-Jährige Linkshänder von den Färöer-Inseln besetzt seit Sommer den rechten Flügel der SG. Die Redaktion sprach nach der Übungseinheit mit ihm.

Johan, mal ganz ehrlich: Wie gerne magst du das Kraft-Training?
Johan Hansen: Ich bin eigentlich mehr der Läufer und nicht der Kraft-Typ. Da die Fitness-Übungen wichtig zum Vorbeugen gegen Verletzungen sind, und ich auch Kraft zum Springen oder im Zweikampf am Kreis gebrauchen kann, weiß ich, wie wichtig physische Einheiten sind. Dementsprechend mag ich sie auch gerne.

Musst du eigentlich weniger mit den Hanteln arbeiten als etwa ein Kreisläufer? Zumindest hast du ja eine andere Figur.
Johan Hansen: Das ist schon so. Als Außen bekommt man kleinere Gewichte als andere Spieler, und es wird mehr auf die Explosivität geachtet. Es ist aber nicht so unterschiedlich wie beispielsweise im American Football, wo es ganz flinke Spieler und Schwergewichte von 160 Kilo gibt, die niemand wegräumen kann. Bei einer Größe von 1,90 Metern bin ich auch kein kleiner Außenspieler.

Außenspielern wird nachgesagt, dass sie eine besonders gute Wurftechnik besitzen. Legst du dafür im Training Sonderschichten ein?
Johan Hansen: Inzwischen nicht mehr. Früher als ich klein war, habe ich die Trickwürfe von Lars Christiansen oder Uwe Gensheimer imitiert. Mittlerweile ist es so, dass ich ein Repertoire von acht verschiedenen Würfen habe, unter denen ich spontan je nach Situation entscheide. Wenn ich unsere Trainer frage, ob ich auch mal einen Trickwurf benutzen soll, wirken die eher etwas zurückhaltend. Aber ich finde: Ein Dreher pro Spiel muss sein.

Warst du eigentlich immer ein Außenspieler und wie bist du zum Handball gekommen?
Johan Hansen: Meine Tante war früher eine Nationaltorhüterin der Färöer-Inseln und Erzieherin von Beruf. In diesem Job betreute sich auch ein Handball-Projekt für kleine Kinder bis sechs Jahren. Sie nahm mich dazu, und Kyndil wurde mein Stammverein. Bald stand ich im Tor. Aber mit elf Jahren wurden die Würfe immer härter, und ich hatte Angst. Da ich Linkshänder war, spielte ich dann im rechten Rückraum. Auf dieser Position blieb ich, bis ich 16 Jahre alt war – also so lange, wie ich auf den Färöer-Inseln lebte.

Welche Sportarten sind auf den Färöer-Inseln populär?
Johan Hansen: Wie fast überall auf der Welt ist Fußball die Nummer eins. Unter den Mannschaftssportarten folgt dann der Handball. Eine große Bedeutung hat das Schwimmen. Von den Färöern kamen schon einige Olympia-Teilnehmer. Der Nationalsport ist aber das Rudern. Dabei sollte man allerdings nicht an die olympischen Disziplinen denken. Bei uns sitzen acht bis zehn Leute in Zweierreihen in einem großen Holzboot. Im Sommer gibt es jedes Wochenende große Wettkämpfe mit Volksfesten, und zwar nacheinander in den größten Orten der Inseln. Schließlich endet sie Serie am 28. Juli, unsrem Nationalfeiertag, in der Hauptstadt Torshavn. Mein Bruder hat schon häufiger gewonnen. Ich war nie dabei, da ich Fußball und Handball spielte und daher ohnehin viel trainieren musste.

Was magst du am liebsten an den Färöern? Gibt es einen Lieblingsort?
Johan Hansen: Ich bin ja kein Tourist und treffe mich am liebsten mit Familie und Freunden. Zwei Mal organisierte ich schon Handball-Camps auf Färöer und hatte Michael Knudsen und Hans Lindberg als Stars mitgenommen. In dieser Zeit bot ich auch etwas Sightseeing, Ich denke der Höhepunkt war es, als wir mit einem Motorboot in eine verlassene Grotte gefahren sind. Die hatte eine ganz eigene Atmosphäre, und es gab witzige Echos.

Du hast mit 16 Jahren deine Heimat wegen dem Handball verlassen. Wie kam das?
Johan Hansen: Ein anderer Verein hatte einen dänischen Trainer. Der meinte zu mir, dass ich ein höheres Niveau hätte und mehr drin wäre. Er vermittelte mir zwei Probe-Trainings. An der Akademie von Skanderborg hat es mir so gut gefallen, dass ich gar nicht erst zur zweiten Stelle war.

Wie war die Eingewöhnung in Dänemark?
Johan Hansen: Es ging. Dänisch verstand ich schon gut, da wir auf Färöer nur dänisches Fernsehen haben und Dänisch schon in der Schule lernen. Ich sprach zunächst mit einem Akzent. Der soll inzwischen verschwunden sein. Außerdem waren in der Akademie von Skanderborg viele andere Jungen. Wir gingen zusammen zur Schule, trainierten dann Handball, spielten am Abend zusammen auf der Play-Station oder sahen Fußball. Es war nicht so, dass ich allein auf dem Zimmer saß.

Hast du seitdem mal wieder auf den Färöer-Inseln Handball gespielt?
Johan Hansen: Einmal hatte ich mit Silkeborg ein fünftägiges Trainingslager. Zum Abschied gab es ein Testspiel gegen das Nationalteam. In der Qualifikation zur Europameisterschaft traf ich einmal auf die Färöer, aber da die neue Halle in Torshavn noch nicht fertig war, fanden beide Spiele in Dänemark statt. Es war dennoch ein spezielles Gefühl. Ein Traum wäre einmal ein Länderspiel mit Dänemark in meiner Heimat.

Derzeit kommen häufiger Spieler aus deiner Heimat in die LIQUI MOLY HBL. Woran liegt es?
Johan Hansen: Es gibt einen jungen Jahrgang, der richtig stark ist. Und es folgen weitere aussichtsreiche Spieler, die noch jünger sind. Die Förderung ist besser geworden. Ich war damals der erste der bei einem Top-Team gelandet ist. Ich hatte auch gute Trainer, wurde aber wohl nur so gut, weil ich mit einigen Freunden häufiger eine Halle stundenlang nutzen konnte und wir viel Sport in eigener Regie trieben.

Da hat sich wohl gerade in der letzten Zeit viel getan. Du spielst ja inzwischen für Dänemark…
Johan Hansen: Damals teilte der Verband mit, dass er kein Geld hätte, um irgendwelche Qualifikationsspiele für Europa- und Weltmeisterschaften zu spielen. Und für Dänemark konnte ich zunächst nicht auflaufen, da ich wegen einem Einsatz für die Färöer drei Jahre warten musste. Ich habe den Wechsel zur dänischen Nationalmannschaft nie bereut, ich habe schon viel erlebt. Ich gewann Silber bei den Olympischen Spielen in Tokio. Und wenn ich nur einen Höhepunkt nennen müsste, dann war das 2019 die Gold-Medaille bei der WM in Dänemark.

In Deutschland hast du ja zunächst in Hannover gespielt. Dort soll man das beste Hochdeutsch sprechen. Kannst du das bestätigen?
Johan Hansen: Die sind da zumindest sehr stolz darauf, aber unser Trainer war Spanier, der mit uns hauptsächlich Englisch sprach. Wir nannten es „Spenglisch“. Außerdem waren viele andere Ausländer im Team. Im zweiten Jahr kam Christian Prokop. Er war zwar kein Hannoveraner, aber wir sprachen viel Deutsch – und ich machte Fortschritte.

Im Sommer bist du zur SG gekommen. Haben sich die Erwartungen an den Wechsel erfüllt?
Johan Hansen: In jedem Fall. Ich habe mich noch nie so wohl in einem Verein gefühlt. Ich kann mir gut vorstellen, einige Jahre zu bleiben. Die Erwartungshaltung in Flensburg ist aber größer. Zwei Punkte zu verlieren, ist hier wesentlich schlimmer. Der Druck vom Verein, den Fans und uns Spielern ist größer als anderswo. Die Stimmung in der Halle hatte ich zuvor nur einmal mit Silkeborg erlebt. Ich war damals verletzt und saß auf der Tribüne. Mit Hannover war ich nur die Corona-Zeit in Flensburg. Gegen die Füchse hatte ich Gänsehaut, gegen Magdeburg war es noch besser und gegen Kiel nur fantastisch. Auch meine Familie fühlt sich wohl. In Handewitt haben wir alles. Wenn wir mal ein Café besuchen möchten, sind wir schnell in Flensburg. Und wenn ich auf Reisen mit der SG bin: Die Familie meiner Frau wohnt nur noch anderthalb Stunden entfernt.