„Möglichst viel aufsaugen“

- Julius Meyer-Siebert im Interview

Julius Meyer-Siebert zählt zu den großen Talenten im deutschen Handball. Als Reaktion auf zahlreiche verletzte Rückraumspieler holte die SG Flensburg-Handewitt im Oktober den 21-Jährigen. Der Rechtshänder steht weiterhin beim Ligakonkurrenten SC DHfK Leipzig unter Vertrag und wurde bis Ende des Jahres ausgeliehen. Die Redaktion sprach mit dem neuen Gesicht.

Julius, was hast du gedacht, als die SG dich kontaktierte und dir anbot, bis Weihnachten im hohen Norden zu spielen und zu trainieren?
Julius Meyer-Siebert: Ich war schon ziemlich überrascht, als mir die Leipziger Verantwortlichen, also Trainer André Haber und Sportkoordinator Philipp Müller, vom Interesse der SG erzählten. Mir war relativ schnell klar, dass es nur eine Antwort geben konnte: Ja! Wann werde ich wieder die Gelegenheit erhalten, ein Top-Team auf diese Weise kennenzulernen? Ein Gespräch mit SC-Geschäftsführer Karsten Günther zeigte auf, dass die aktuelle Situation einen kurzzeitigen Wechsel hergab. Zuletzt hatte ich in Leipzig nicht die erhofften Spielanteile.

Ende Oktober absolviertest du die ersten Heimspiele für die SG. Wie oft warst du vorher in der FLENS-ARENA gewesen?
Julius Meyer-Siebert: Genau ein einziges Mal. Das war im April, als nur ein paar Offizielle in der Halle waren. Ich habe aber natürlich schon viele Spiele im Fernsehen verfolgt und viel von der besonderen Atmosphäre in Flensburg gehört.

Was hast du dir für die nächsten Wochen vorgenommen?
Julius Meyer-Siebert: Ordentlich Gas geben, möglichst schnell viel aufsaugen und die Mannschaft unterstützen, wo es geht. Der Rest kommt dann automatisch.

In Leipzig ist Philipp Müller als Sportkoordinator tätig. Bei der SG hilft Zwillingsbruder Michael Müller aus. Kamst du dir da wie der Hase beim berühmten Wettrennen mit dem Igel vor?
Julius Meyer-Siebert: (schmunzelt) Die beiden kenne ich seit meiner Kindheit, da sie zu den Freunden der Familie zählen. Wir stammen alle aus Bayreuth. Mit Philipp spielte ich letzte Saison noch gemeinsam in Leipzig, jetzt ist er Sportkoordinator. Mit Michael sprach ich kurz, als ich nach Flensburg kam. Wenige Tage später stand er neben mir im Training, und in Veszprém teilten wir uns das Zimmer. Als Junge schaute ich zu den Müller-Zwillingen auf, war Fan von ihnen und verfolgte ihre Spiele. Als sie noch für HaSpo Bayreuth spielten, spielte ich bereits in der Halle Verstecken. Als sie mit dem TV Großwallstadt ihr Abschiedsspiel bestritten, sammelte ich Autogramme.

Wie würdest du eure Heimatstadt Bayreuth beschreiben?
Julius Meyer-Siebert: Es ist eine überschaubare Stadt, in der ich eine schöne Kindheit hatte. Da Bayreuth eine Studentenstadt ist, ist fast jede Sportart gut vertreten. Am erfolgreichsten sind die Basketballer. Die Fußballer wollen in die 3. Liga. Die Handballer halten sich im Drittliga-Mittelfeld auf. Die Spiele streame ich gerne, wenn es meine Zeit zulässt. In der Mannschaft spielen mein älterer Bruder Yannik und viele Freunde. Mein Vater gehört seit vielen Jahren dem Vorstand an.

Dann bist du sicherlich über deine Familie zum Handball gekommen?
Julius Meyer-Siebert: Ja, so ist es. Mein Vater spielte übrigens in der Jugend für den VfL Bad Schwartau und kam wegen seines Studiums nach Bayreuth. Zunächst fing mein Bruder an, dann ich. Ich wechselte vom Kinderturnen in die Mini-Jugend.

Was waren bislang die Höhepunkte in deiner jungen Sportler-Laufbahn?
Julius Meyer-Siebert: Mit Bayreuth gewann ich die bayrische Meisterschaft der C-Jugend. In dieser Zeit war ich häufiger zur Landesauswahl. 2017 wechselte ich nach Leipzig und spielte dort A-Jugend-Bundesliga. Ein Höhepunkt war natürlich das erste Spiel in der Männer-Bundesliga. 2019 war ich mit der U19-Nationalmannschaft zur Weltmeisterschaft in Skopje. Wir gewannen Silber.

Hast du in Leipzig ein Sport-Internat besucht?
Julius Meyer-Siebert: In einem Internat war ich nicht. Ich besuchte eine betreute Sportler-Wohnung, zusammen mit mehreren Mitschülern und Mitspielern. Dann wohnte ich zwei Jahre in einer Zweier-WG mit Torwart Christian Simonsen. Er spielt inzwischen für Dormagen in Liga zwei.

Der SC DHfK Leipzig und die SG spielen beide in der LIQUI MOLY HBL. Hast du große Unterschiede wahrgenommen?
Julius Meyer-Siebert: Der größte Unterschied ist das Pensum. Wegen des engen Spielplans ist das Training anders gestaltet. Mit Leipzig bin ich nie geflogen. Magdeburg war immer eine Tagesreise, jetzt übernachteten wir dort im Hotel. Die Ansprüche des Vereins, der Ehrgeiz des Teams und das allgemeine Interesse sind auf einem noch höheren Level als in Leipzig.

Konzentrierst du dich voll auf Handball?
Julius Meyer-Siebert: Ich studiere derzeit Wirtschaftswissenschaften an der Universität Leipzig. Wegen der Präsenzpflicht werde ich es abbrechen müssen und wohl auf ein BWL-Fernstudium umsteigen. Grundsätzlich steht der Handball im Mittelpunkt, aber aus verschiedenen Gründen möchte ich auch etwas nebenbei machen. Eigentlich wollte ich ein paar Einblicke in das Studentenleben erhalten, doch da machte mir die Corona-Pandemie einen Strich durch die Rechnung.

Hast du in Flensburg schon nette Orte zum Kaffetrinken und Essengehen kennengelernt? Magst du Hafen und Meer?
Julius Meyer-Siebert: Da mein Vater aus Schleswig-Holstein stammt, war ich oft bei meiner Großmutter. Ich habe daher die Vorliebe zum Norden und zum Meer quasi geerbt. Das Ziel war aber hauptsächlich Timmendorfer Strand und nicht Flensburg. Hier habe ich Fußgängerzone und Hafen als schönste Orte wahrgenommen. Ich bin gerne mit den anderen Spielern oder auch allein in einigen Cafés. Überrascht bin ich, dass Flensburg so hügelig ist.