„Man kommt immer stärker zurück“

- Franz Semper arbeitet an seinem Comeback

Das Talent von Franz Semper ist unumstritten. Er ist erst 23 Jahre alt, absolvierte schon etliche Partien in der LIQUI MOLY HBL, befindet sich fest auf dem Radar des Bundestrainers und wagte im Sommer den Sprung vom SC DHfK Leipzig zur SG Flensburg-Handewitt. Beim neuen Klub zeigte er seine Qualitäten, doch seit Dezember muss sich der Linkshänder gedulden. Der Grund: Ein Kreuzbandriss. Franz Semper kämpft sich zurück und hofft auf die neue Saison.

Er spielt nicht, faul ist er aber gewiss nicht. Zwei Termine am Tag stehen durchschnittlich in seinem Kalender: ein spezielles Kraft-Training, Behandlungen bei den Physiotherapeuten oder Stabilitätsübungen. In manchen Zügen erinnert alles an das Programm vor dem sommerlichen Startschuss des Spielbetriebs. „Es ist die längste Vorbereitung, die ich je hatte“, schmunzelt Franz Semper. Er sieht sein Knie „ganz gut im Plan“ und macht sich Hoffnungen auf die echte Vorbereitung im Sommer. Im günstigen Fall dauert die Rekonvaleszenz nach einem Kreuzbandriss rund sechs Monate. Da beim SG Handballer auch der Meniskus geschädigt wurde, hat er die laufende Saison abgehakt. Ein Schicksal, mit dem er sich inzwischen arrangiert hat. Der 23-Jährige versucht die Situation als Chance zu sehen: „Wie sagt das Sprichwort: Man kommt immer stärker zurück als man es vorher war!“ Ein junger, verletzungsmäßig kaum belasteter Spieler wird nachdenklicher, gewissenhafter und akribischer. Ein gutes Beispiel aus den eigenen Reihen: Simon Hald.

Zwangspause vom Handball
Es war der 3. Dezember, der alles veränderte: Die SG befand sich gegen Szeged auf der Siegesstraße. Mittendrin Franz Semper, der schon zwei Tor erzielt hatte, aber sechs Minuten vor Schluss bei einer Angriffsaktion strauchelte und zu Boden stürzte. Er selbst hat sich die Szene noch nie angesehen. „Ich will es auch nicht“, betont er. „Es war ein krasser Schmerz, nach dem heutigen Wissenstand war eigentlich klar, dass etwas kaputtgegangen war.“ Der Handballer konnte aber schon wenig später wieder halbwegs normal gehen. Hoffnung. Tags darauf dann die schockierende Diagnose. Das Saisonende! In der nächsten Woche ließ sich Franz Semper in Sachsen operieren – bei Dr. Pierre Hepp, dem Mannschaftsarzt des SC DHfK Leipzig. „Zu ihm habe ich ein gutes Verhältnis und ein hohes Vertrauen. Er operierte mich auch schon an der Hüfte“, erklärt der Handballer. Er blieb  bis in den Februar hinein  in Sachsen und arbeitete viel im sportaffinen Reha-Zentrum „Asevida“. Eine „normale Arbeit“ wäre längst wieder möglich, nach sechs Wochen verschwanden die Gehhilfen. „Das fühlte sich zunächst komisch an, dann kehrte das Vertrauen in das eigene Knie aber schnell zurück“, erzählt Franz Semper. Ein Wiedersehen mit seinen Teamkollegen gab es nur einmal: beim Gastspiel der SG am 27. Dezember in Leipzig. „Es war schon etwas komisch, mal wieder in der Arena zu sein, da ich vom SC DHfK ja nicht richtig verabschiedet werden konnte“, berichtet Franz Semper. Bekanntlich beendete die Corona-Pandemie und kein Spiel die letzte Saison.

Die Karriere begann in Sachsen
Die Sachsen-Metropole und das 30 Kilometer entfernte Borna, wo die Familie lebt, waren bislang der Orbit des jungen Sportlers. Die Leidenschaft zum Handball wurde ihm praktisch in die Wiege gelegt. Sein Vater Jörg war lange Präsident des Bornaer HV 09. „Ich war von kleinauf in der Halle“, sagt der Sohn mit einem Lächeln. „Bis das Licht ausging.“ Das Talent reifte. 2013 schleppte Trainer Frank Klingler einige Jungen aus Borna mit zum Training nach Leipzig. Franz Semper wechselte ins Internat und in die Leipziger Handball-Akademie. Im Alter von gerade einmal 17 Jahren schaffte der Senkrechtstarter den Sprung in den Profi-Kader des SC DHfK und durfte 2015 den Aufstieg seiner Mannschaft in die Bundesliga feiern. Bald trug Franz Semper das DHB-Trikot. Durchaus erfolgreich, denn bei der U21-Weltmeisterschaft 2015 errang er die Bronze-Medaille. Ab 2018 tauchte er dann auch bei den DHB-Männern im Kader auf. Der Transfer in den hohen Norden war schon anderthalb Jahre vor seinem ersten SG Training eingetütet. Und davor gab es ein „Vorspiel“, bei dem sich die Nordlichter und Franz Semper intensiv ausgetauscht hatten. „Da hat mir die SG ein sehr gutes Gesamtkonzept mit Trainer, Mannschaft und Umfeld unterbreitet“, verrät der 23-Jährige. SG Coach Maik Machulla warnte vor zu großen Erwartungen: „Der Junge ist zum ersten Mal von zu Hause weg, das müssen wir beachten. Bislang war er ein ganz anderes Training und eine andere Führung gewöhnt.“

Vom Binnenland an die Ostsee
Franz Semper wurde 500 Kilometer weiter nördlich mit einem doppelten Tapetenwechsel konfrontiert. Zum einen tauchte er in eine neue Umgebung ein. Vom Binnenland ging es an die Ostsee mit ihren völlig anderen Sehenswürdigkeiten. Statt Leipzig mit Nikolaikirche, Völkerdenkmal oder Altem Rathaus lockte nun das Ambiente des Flensburger Hafens. „Dort habe ich im Sommer gleich den Sonnenuntergang und die frische Meeresluft genossen”, erzählt der Handballer. „Als ich die Strandkörbe stehen sah, bekam ich sogar so etwas wie Urlaubs-Feeling.” Sportlich trat er in große Fußspuren. Bekanntlich hörte Holger Glandorf auf, und die SG holte den deutschen Nationalspieler als Ersatz. Die ersten Monate waren vielversprechend. Dann traf den Neuzugang die Verletzung, die ihn in die Zuschauerrolle manövrierte. In den engen Partien gegen Paris und Minden litt er mit. „Magnus Rød mit seiner enormen Belastung tut mir leid“, sagte Franz Semper. „Ich hätte ihm zu gerne Spielzeit abgenommen.“ Sein Sport-Fieber ist ungebrochen. Er legte sich jetzt sogar ein Sky-Ticket zu. „Früher interessierten mich keine anderen Sportarten, nun mag ich den Blick hinter die Kulissen.“ Im Leipziger Reha-Zentrum war Biathlon groß angesagt. Am liebsten schaut Franz Semper natürlich Handball, nimmt gerne die Spieltags-Konferenz mit und beobachtet, was die alten Leipziger Kameraden so treiben. Und er hofft, ab dem Spätsommer selbst wieder mitzumischen.