„Ich bin sehr beeindruckt“

- Das Interview der Woche: Lukas Jørgensen

In einem kleinen Café in der Norderstraße mit dem optimistischen Namen „Lykke“ (dänisch für Glück) trinkt Lukas Jørgensen ein Milchgetränk. Der 24-jährige Kreisläufer der SG Flensburg-Handewitt erzählt dabei über seinen Werdegang und seine sportlichen Ziele. Am Ende des Gesprächs sind Spieler, Fotografin und Redakteur die letzten Gäste. Zwei von ihnen bekommen sogar noch den Kuchen des Tages mit auf den Heimweg.

Lukas, besuchst du gerne mal ein Café?
Lukas Jørgensen: Ja, aber hier bin ich wirklich das erste Mal. Es gibt in der Umgebung meiner Wohnung so viele Gelegenheiten, sich gemütlich hinzusetzen und etwas zu trinken. Auf Kaffee stehe ich allerdings nicht, ich bevorzuge Tee, Soda oder Milchgetränke.

Was machst du sonst in deiner Freizeit am liebsten?
Lukas Jørgensen: Im Sommer ist das vor allem Golf, zumeist mit einigen meiner Teamkameraden. Dieser Sport ist einfach die perfekte Abwechslung zum Handball. Statt einer lauten Halle hat man eine entspannte Atmosphäre an der freien Luft. Im Winter beschäftige ich mich eher mit der Play-Station und schaue viel Sport im TV. Es gibt viele Handballer, mit denen ich befreundet bin und deren Spiele ich verfolge. Überhaupt sind mir Freunde wichtig – und natürlich die Familie.

Kanntest du Flensburg schon vor diesem Sommer?
Lukas Jørgensen: Ich war tatsächlich nur einmal in Flensburg, und zwar im März, als ich mir das SG Spiel gegen Hamburg anschaute und ein paar nette Gespräche hatte. Flensburg ist wirklich eine schöne Stadt mit vielen schönen, alten Häusern und Kirchen – und dem Wasser. Sehr gerne gehe ich von meiner Wohnung bis zur Roten Straße. Die Atmosphäre ist sehr freundlich. Man meint immer zu hören: Schön, dass du hier lebst!

Viele dänische Spieler vor dir hatten keine Probleme mit dem größeren Spielprogramm eines Bundesligisten, aber mit den wesentlich längeren Reisen. Wie geht es dir in Flugzeug und Bus?
Lukas Jørgensen: Manchmal sind die Reisen etwas lang, aber insgesamt genieße ich die Zeit mit der Mannschaft. Wir spielen viel Karten oder unterhalten uns. Auswärtsfahrten sind wertvoll für das Team, um noch enger zusammenzuwachsen. Wir haben eine gute Stimmung untereinander.

Es gibt ja zwei Sorten von Dänen: die Jütländer und die Insel-Dänen. Zur welchen Gruppe gehörst du?
Lukas Jørgensen: (schmunzelt) Ich lebte die ersten 15 Jahre auf Seeland, auf der Insel mit Kopenhagen. Unsere Hauptstadt ist mir aber zu groß. Ich wuchs im Dorf Lejre und dann in Roskilde auf. Da können sich Kinder frei bewegen. Wir spielten viel und trieben Sport. Schon immer war ich ein großer Familienmensch. Meine beiden älteren Brüder lade ich gerne nach Flensburg ein. Ich selbst habe es seit Sommer nur zwei Mal nach Hause geschafft. Meine Eltern kommen dafür fast zu jedem Spiel. Bislang haben sie nur zwei verpasst. Sie übernachten dann in Flensburg, und wir frühstücken am nächsten Tag gemeinsam.

Wie bist du zum Handball gekommen? Über die Familie?
Lukas Jørgensen: Nein, bei uns war immer der Fußball die Nummer eins. Meine Mutter hatte mal bei einer Verlosung in einem Sportgeschäft ein Trikot mit der Originalunterschrift von Mikkel Hansen gewonnen, eines von AG Kopenhagen ohne Ärmel. Und das bekam ich, da war ich elf Jahre alt. Dann sah ich ihn und die dänische Nationalmannschaft im Fernsehen und wollte auch Handball spielen. Zu meinem ersten Training in Roskilde trug ich das Trikot von Mikkel Hansen und fühlte mich sehr stark.

Das Trikot muss dir auf deinem weiteren Weg ja geholfen haben. Wie kam es zum Wechsel nach GOG? Du warst damals nur 16 Jahre alt.
Lukas Jørgensen: Damals hatte ich gar keinen Gedanken an eine Profi-Karriere. Ich sah in Gudme nur die Chance, in einem Sportinternat viel Handball zu spielen und mein liebstes Hobby mit Freunden zu betreiben. Ich war kein besonders großes Talent, da gab es ganz andere.

2019 bist du für zwei Jahre nach Aarhus gewechselt. Da warst du dann schon auf der Profi-Schiene, oder?
Lukas Jørgensen: Kurz vorher hatte ich gerade meinen ersten Vertrag bei GOG unterschrieben, hatte aber als junger Kreisläufer nicht viel Aussichten auf Spielpraxis. Ich war dann zwei Jahre in Aarhus, aber eigentlich waren es nur zwei halbe Serien. Die erste Saison endete mit dem Corona-Lockdown, die zweite mit dem Konkurs von Aarhus.

Danach warst du dann aber sicherlich Kreisläufer Nummer eins bei GOG?
Lukas Jørgensen: Eigentlich hatte ich immer jemanden vor mir. Zeitweise sogar zwei. Als Oscar Bergendahl 2022 nach Stuttgart wechselte, war ich als zweiter Kreisläufer hinter Anders Zachariassen vorgesehen. Er verletzte sich dann aber – und ich musste sehr viel spielen.

In der letzten Saison hast du einen enormen Sprung in der Leistung vollzogen. Du wurdest dänischer Nationalspieler und Weltmeister. Wie war diese Zeit für dich?
Lukas Jørgensen: Das war alles unglaublich. Ende des letzten Jahres wurde ich immer häufiger darauf angesprochen, ob ich denn mit zur Weltmeisterschaft fahren würde. Ich musste immer schmunzeln, da ich ja bis dahin noch nie für die dänische Nationalmannschaft gespielt hatte. Dann rief Nikolaj Jacobsen tatsächlich an. Ich weiß nicht mehr, ob ich zuerst geschockt war oder an einen Witz glaubte. Bei der Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft war ich dann tatsächlich dabei. Beim ersten Meeting war ich total nervös, plötzlich saßen Mikkel Hansen und Niklas Landin direkt neben mir. Die beiden Stars meiner Kindheit. Und drei Wochen später wurden wir zusammen Weltmeister. Das war unglaublich.

Warum hast du dich für einen Wechsel zur SG entschieden?
Lukas Jørgensen: Ich war total überrascht, als ich Ende letzten Jahres vom Interesse der SG hörte. Einer der größten Klubs der Welt will mich haben? Wir vereinbarten ein Gespräch für einen Donnerstag, Am Tag zuvor spielten wir in der EHF Champions League beim SC Magdeburg. Da dachte ich nur: Ich muss nun besonders gut spielen, die beobachten mich. Tags darauf sprach ich dann mit Lars Christiansen, Maik Machulla und Holger Glandorf. Sie erzählten mir, dass die SG eine Mannschaft mit großer Perspektive aufbaut. Ich wollte dabei sein, wenn eine Phase beginnt, in der der Verein mehrere Titel gewinnen wird.

Im März wurdest du im Paket mit Simon Pytlick präsentiert. Es sah so aus, als ob ihr gute Freunde seid….
Lukas Jørgensen: Er ist einer meiner besten Freunde. Wir haben nicht nur einen guten Draht auf dem Handballfeld, sondern auch abseits davon. Gemeinsam haben wir schon viel erlebt. Zunächst war es nicht ganz klar, ob wir beide zur selben Saison zur SG wechseln würden. Dann erfüllte sich aber der Traum, gemeinsam etwas Neues zu beginnen. Wir sehen uns jeden Tag beim Training, treffen uns natürlich auch mal so. Genauso aber mit anderen Teamkameraden, denn wir haben wirklich eine gute Sozialstruktur in der Mannschaft.

Wie hast du bislang die Spiele in der „Hölle Nord“ wahrgenommen?
Lukas Jørgensen: Ich bin von der gesamten Atmosphäre sehr beeindruckt. Es ist nicht möglich, so etwas nicht zu lieben. In der Halle steckt so viel Energie. Die Fans fiebern mit und feuern uns an. Ich freue mich auf jedes Heimspiel.

Was ist in der LIQUI MOLY HBL anders als in der dänischen Liga?
Lukas Jørgensen: In Dänemark war ich einer von den größten Spielern, in Deutschland bin ich einer unter vielen. Die Bundesliga ist physisch unheimlich stark. Im Allgemeinen nehme ich ein noch größeres Interesse am Handball wahr als in Dänemark. In Gudme hat unsere Halle nur 2300 Plätze, hier sind alle Arenen größer und gut besucht. Es reisen auch mehr Fans zu den Auswärtsspielen und unterstützen uns.