Glatte Siege

- Ein Blick in die Historie

Es gibt enge Spiele, nach denen ein knapper Sieg automatisch Hochgefühle auslöst. Es gibt denkwürdige Spiele, in denen Erfolge in Festtage münden. Und es gibt Kantersiege, in denen die Fans während der 60 Minuten viel zu feiern haben und der große Jubel beim Schlusspfiff ausfällt, da die beiden Punkte emotional schon längst verbucht waren. Diese glatten Siege gehen aber – wenn sie besonders deutlich ausfallen – in die Rekordlisten ein. Immerhin sechs Mal gewann die SG Flensburg-Handewitt eine Partie der Handball-Bundesliga mit 20 oder mehr Toren.

Den Rekordsieg schlechthin konnte kaum ein SG Fan miterleben: auswärts an einem Mittwochabend. Es war am 1. März 2017 in der Mindener Kampa-Halle, in der 3197 Zuschauer eine Viertelstunde lange einen stinknormalen Verlauf einer Bundesliga-Partie registrierten: 7:8 – nichts deutete auf eine Klatsche der Hausherren hin. Doch die verletzungsgeplagten Gastgeber von GWD schickten namenlose Youngster ins Rennen, während die SG mit Kentin Mahé, einem frischgebackenen Weltmeister, nachlegen konnte. „Die haben zuerst einige Fehler gemacht, die wir bestraften und dann haben sie ihren Mut verloren“, wunderte sich der damalige SG Linksaußen Anders Eggert. Ganz anders die Gäste: Sie waren direkt aus Barcelona angereist, hatten teamintern an einigen Stellschrauben gedreht. „Wir hatten viel Zeit zusammenverbracht und konnten so einige Kleinigkeiten besprechen“, erklärte der scheidende SG Trainer Ljubomir Vranjes. Sein Jungs kannten keine Gnade mit der westfälischen Verlegenheitstruppe und siegten mit 41:17. Ein netter Bonus für das Torverhältnis, das letztendlich keine Rolle spielen sollte. Die SG musste die Titelträume nach einer Heimniederlage gegen die Rhein-Neckar Löwen streichen.

39:18 gegen den VfL Bad Schwartau
Der höchste Sieg zu Hause datiert vom 3. April 2002 – als die „Hölle Nord” erst wenige Monate alt war. Die SG putzte den VfL Bad Schwartau mit 39:18. Dabei hatten die Gastgeber Sorgen auf der Kreisläufer-Position. Einen Tag vor der Partie war Andrej Klimovets am linken Auge operiert worden. Der 37-jährige Matthias Hahn, der seine Karriere eigentlich schon beendet hatte, musste einspringen. Und das in glänzender Manier: 60 Minuten lang unterstützte er die Abwehr und erzielte im Angriff fünf Tore. „Jetzt hänge ich noch ein bis zwei Jahre dran”, schmunzelte Matthias Hahn vor laufender Kamera. Den Festtag in der Campushalle bereicherten weitere Akteure. Lars Christiansen und Lars Krogh Jeppesen befanden sich im Torrausch, Joachim Boldsen zeigte ein überragendes Kämpferherz, und Christian Berge glänzte als Spielmacher. Der VfL Bad Schwartau hingegen war mit nur acht Feldspielern angereist und brach zusammen.

Vier Mal plus 20 Tore
Vier weitere Spiele endeten mit einer Differenz von 20 oder 21 Treffern Vorsprung für die SG: zwei Mal sogar auswärts. In diesen beiden Fällen trafen die Nordlichter auf Gegner, die bereits einem unvermeidlichen Abstieg entgegentrieben. 2009 hatte der Stralsunder HV ebensowenig zuzusetzen wie neun Jahre zuvor der TuS Schutterwald. Die HSG Wetzlar klagte am 26. Dezember 2010 über ein Weihnachts-Phänomen: Der Mittagsbraten soll den sportlichen Elan gestört haben. Das 42:22 war denkwürdig. Dagegen musste TUSEM Essen am 25. August 2012 als Aufsteiger gleich kräftig Lehrgeld bezahlen: 20:40 in der FLENS-ARENA. Allerdings erlebten die Westdeutschen einmal im hohen Norden ein Waterloo, als sie zu den etablierten Kräften der Bundesliga zählten und die SG noch in der Fördehalle spielte. Mit einem 30:11-Schützenfest befeuerten die Gastgeber meisterliche Träume, die sich am Saisonende nicht ganz erfüllen sollten. Doch an jenem 10. März 1999 stimmte alles. „Das war Handball vom anderen Stern”, schwärmte Trainer Erik Veje Rasmussen. Wie ein Orkan fegte die SG über den TUSEM hinweg und ließ die Welle durch das Rund schwappen. Immer wieder verwöhnten die Akteure ihre Zuschauer mit wunderschönen Treffern. Hinten boten Matthias Hahn, Andrej Klimovets und Jan Holpert eine Leistung, die mit dem Prädikat „Weltklasse” nur unzureichend zu umschreiben war. Noch Jahre später – bis zum Zwangsabstieg der Essener 2005 – sangen die Fans gerne: „TuSEM Essen, wisst ihr noch, könnt ihr euch erinnern, 30:11.“

46 Tore auswärts in Stuttgart
Die Bestmarken wackelten auch am 27. November 2016. Es waren noch nicht einmal 17 Minuten gespielt, als sich die SG beim TVB 1898 Stuttgart mit dem 5:15 die erste Zehn-Tore-Führung erspielt hatte. Was für ein Torrausch! Die Gastgeber scheiterten mehrfach mit ihrer Siebter-Feldspieler-Maßnahme. Die SG gewann beim TVB 1898 Stuttgart mit 46:28 und hätte fast ihren eigenen Bundesliga-Torrekord aus der Serie 2007/8 (47:40 in Melsungen) eingestellt. „Einen so klaren Sieg kann man sich wünschen, aber erwarten kann man ihn auswärts gegen einen Gegner, der gegen Kiel oder die Rhein-Neckar Löwen lange mitgehalten hat, nicht”, sagte Maik Machulla, damals noch in der Funktion des Co-Trainers. Es ist so: Für Kantersiege, die in die Rekordlisten eingehen, müssen zwei Dinge zusammenkommen – die eigene Stärke, aber auch die Schwäche des Gegners.