Erinnerungen für das ganze Leben

- Jim Gottfridsson im Interview des Tages

In wenigen Tagen beginnt die Europameisterschaft 2020 in Schweden, Norwegen und Österreich. Im Vorfeld sprach die Redaktion mit Jim Gottfridsson, der als Kapitän der schwedischen Mannschaft auflaufen wird.

Jim Gottfridsson, einige Tage vor Weihnachten benennt der schwedische Nationaltrainer stets in einer Pressekonferenz den endgültigen 16er Kader. Ist man als Spieler die Tage etwas aufgeregt? Oder weiß man schon vorher, wie die Nominierung aussieht?
Jim Gottfridsson: Zuhause – seit letztem Januar habe ich dieses Wort im Kopf, als uns in Kopenhagen 6000 oder 7000 Schweden unterstützten. Da fragte man sich: Wie wird das erst zur EHF EURO zu Hause werden. Eine lange Zeit war man aufgeregt und gespannt, dazwischen richtete sich immer wieder der Fokus auf den Verein. Die besagte Pressekonferenz habe ich noch nicht einmal gesehen, weil wir Training hatten. Aber unser Coach hatte mich schon zwei oder drei Tage vorher angerufen. Ich habe mich gefreut, auch wenn ich nicht ernsthaft an der Nominierung gezweifelt hatte.

Du wirst die Schweden als Kapitän in die Heim-Europameisterschaft anführen. Eine besondere Ehre?
Jim Gottfridsson: Es war eine Ehre, als ich im April Kapitän wurde. Vor mir stehen in der Liste große Namen wie Tobias Karlsson oder Stefan Lövgren. Jetzt bin ich sogar Kapitän bei einer Heim-EM – das verspricht schöne Erinnerungen für das ganze Leben.

Welche Aufgaben hat ein Kapitän der schwedischen Nationalmannschaft?
Jim Gottfridsson: Das ist gar nicht so umfangreich. Im Prinzip geht es darum, dass alle Spieler schnell integriert werden und sich wohlfühlen. Dazu gesellen sich ein paar Medientermine mehr. Aber ich bleibe der, der ich war.

Die Schweden spielen die Vorrunde in Göteborg. Welche Verbindungen hast du zu dieser Stadt? Kennst du die Halle?
Jim Gottfridsson: Das ist eine schöne Stadt, aber ich habe keinen besonderen Bezug zu ihr. Ich komme aus Südschweden, daher wird Malmö für mich mehr zur Herzensangelegenheit. Da kenne ich die Umgebung und viele Leute. In der Skandinavium-Arena von Göteborg spielte ich das letzte Mal vor einigen Jahren mit der Junioren-Nationalmannschaft.

Wie sind in Schweden die Erwartungen an die kommende Europameisterschaft?
Jim Gottfridsson: Riesengroß, woran wir nicht unschuldig sind aufgrund unserer Ergebnisse in den letzten Jahren. Immerhin wurden wir 2018 Vize-Europameister und waren zuletzt Fünfter bei WM. Jetzt wollen wir erneut ein sehr gutes Abschneiden, aber versprechen können wir nichts.

In der Vorrunde geht es gegen die Schweiz, Slowenien und Polen. Wie sind diese Gegner einzuschätzen?
Jim Gottfridsson: Das ist irgendwie eine komische Gruppe. Bei der Schweiz müssen wir auf einen 7er Angriff gefasst sein. Von den Polen sah man zuletzt wenig. Slowenien wird wohl der Hauptgegner, da müssen wir hellwach sein. Wir wollen zwei Punkte mit in die Hauptrunde nehmen.

Ab der Hauptrunde würde es in Malmö weitergehen. Wie stehen die Chancen, ins Halbfinale vorzudringen und um die Medaillen zu spielen?
Jim Gottfridsson: Das wird schwer, denn wir müssen mit Dänemark, Frankreich und Norwegen rechnen. Mit uns kommen dann gleich vier Teams aus der Top Five der letzten WM zusammen. Aber so viele Gedanken mache ich mir noch nicht. Wir müssen erst einmal sehen, wie es bei den einzelnen Mannschaften läuft und wer womöglich verletzt ist. Fest steht, dass es eine Hammer-Gruppe wird, in der sich die Zuschauer auf viele enge Spiele freuen dürfen.

Befürchtest du, dass in Malmö ganz viele dänische Fans aufkreuzen und den schwedischen Heimvorteil stören werden?
Jim Gottfridsson: Die Dänen haben sich sicherlich etliche Karten organisiert. Ich gehe davon aus, dass es die Schweden auch getan haben. Ich rechne mit einer ganz besonderen Stimmung und einem bunten Farbenmeer. So wie 2011 beim Halbfinale in Malmö, als ich als Zuschauer dabei war und Schweden gegen Frankreich verlor.

Das Endspiel findet im Fußballstadion von Stockholm vor 20.000 Zuschauern statt. Wäre eine Teilnahme dein Traum?
Jim Gottfridsson: Ich habe ein Video von dem gesehen, was da auf die Beine gestellt werden soll. Das wird eine coole Handball-Party für das Publikum und die Spieler. Es wäre ein Traum dabei zu sein.

Welche Erinnerungen hast du an deine bisherigen Europameisterschaften?
Jim Gottfridsson: Die sind überschaubar. 2016 war ich verletzt, 2018 holten wir Silber und ich wurde zum MVP gekürt. Ich mache mir aber kein Druck und sage nicht, dass es immer so perfekt laufen muss. Ich werde meinen Handball spielen und versuchen, der Mannschaft zu helfen.

Einige Akteure fehlen diesmal verletzungsbedingt, unter anderem dein Vereinskollege Hampus Wanne. Hast du in den letzten Wochen mit ihm mitgelitten?
Jim Gottfridsson: Ich habe ihn oft gefragt, wie es geht – wir sind gute Freunde. Letztendlich konnte man nichts machen, er darf auch kein Risiko eingehen. Aber es ist sehr bedauerlich, dass er nicht bei der Europameisterschaft dabei sein kann, zumal er aus Göteborg stammt. Uns fehlt einer der besten Linksaußen der Welt. Nun gehört Jerry Tollbring und Lucas Pellas, ein junger Mann aus der schwedischen Liga, unser Vertrauen.

Kristján Andrésson gibt nach der Heim-EM seinen Abschied als Nationaltrainer. Ist es eine zusätzliche Motivation, ihn mit einer Medaille zu beschenken?
Jim Gottfridsson: Er ist ein guter Trainer und abseits des Spielfeldes ein Kumpel-Typ. Als er im November 2016 übernahm, waren die Erwartungen an die Mannschaft nicht so groß, es wurde mit einem mehrjährigen Umbruch gerechnet. Stattdessen lief es bei den letzten Turnieren gut. Nun wollen wir alle gemeinsam ein gutes Ergebnis erreichen, damit wir immer gerne an diese Europameisterschaft in Schweden zurückdenken.