Eine Legende geht in den Ruhestand

- Zum Abschied von Lasse Svan

652 Einsätze für die SG Flensburg-Handewitt – das gab es noch nie. Lasse Svan schaffte es in den 14 Jahren, in denen er das SG Trikot trug und nebenbei auch noch 2494/20 Tore erzielte. Jetzt beendete der Rechtsaußen mit fast 39 Jahren seine Karriere und verspricht, ein treuer Beobachter seines Herzensvereins zu bleiben.

Nach 14 Jahren ist ein Rückblick etwas Selbstverständliches. Wie war es im Spätsommer 2008, als Lasse Svan sein erstes Spiel für seinen neuen Verein bestritt? Er war damals relativ spät zum Team gestoßen – als die Vorbereitung bereits in Gang war. Seine Premiere sollte im Heimspiel gegen den HBW Balingen-Weilstetten erfolgen. „Schon Tage vorher freute ich mich riesig“, erinnert er sich. „Als Zuschauer war ich häufiger in Flensburg gewesen, ich wusste aber nicht, wie es als Spieler sein würde.“ Beim Warmup beschlich ihn das Gefühl, das alles eine Nummer größer ist als gedacht. Die Nervosität wuchs deutlich, bis er mit seinen Teamkollegen in die verdunkelte „Hölle Nord“ einlief. „Diese Stimmung, dieses besondere Gefühl spürte ich auch zuletzt, 14 Jahre später, noch beim Einlaufen“, lächelt der 38-Jährige. „Ich war nur nicht mehr so nervös.“

Das erste Tor
Damals, am 3. September 2008, gewann die SG mit 33:26 gegen den HBW Balingen-Weilstetten. Lasse Svan schüttelte die Nervosität schnell ab, erzielte gleich fünf Tore. An sein erstes kann er sich noch gut erinnern. „Ich kam über den Rückraum, wobei ich von Frank Ettwein voll einen auf die Brust bekam“, erzählt er. „Das war schmerzhaft – aber der Ball war im Tor.“ Lasse Svan war auf Anhieb Stammspieler auf dem rechten Flügel. Vorgestellt wurde er bei der SG damals als der „schnellste Spieler Dänemarks“. Bei einer Schulveranstaltung rannte er auf 100 Meter mal handgestoppte elf Sekunden. „Die zweite Hälfte war aber nicht meine Stärke“, schmunzelt er. Auf dem Handball-Feld genügten ja auch 40 Meter. „Ich hatte nie die Wurftechnik, wie sie Anders Eggert beherrschte, aber ich konnte auf Tempo Sprungkraft und Willen setzen“, erklärt Lasse Svan. „Ich habe jetzt zwar nicht mehr die Reaktionsfähigkeit von einst, bin aber cleverer geworden – und ich habe nie den Willen verloren zu gewinnen.“

Titel, Titel, Titel
Bei der SG erntete er die Früchte ab 2012. An sieben Titeln der SG war er beteiligt – vom zweifachen Meister-Streich bis hin zur EHF Champions League. „Nicht nur der Erfolg selbst war stets ein Höhepunkt“, meint Lasse Svan. „Jedes Mal spürten wir, welche Bedeutung diese Titel für die Fans, die Stadt oder sogar die Region hatten.“ Auch Derby-Siege in der FLENS-ARENA lösten ein besonderes Hochgefühl aus. Es gab aber auch die persönlichen Noten. Seine beiden Kinder sind „Flensburger“, er lernte viele neue Menschen kennen, sogar Freunde fürs Leben.

Aus dem Tief auf den europäischen Thron
Auch vermeintlichen Tiefs kann Lasse Svan heute etwas Positives abgewinnen. „Man lernt auch aus bitteren Niederlagen – persönlich wie als Mannschaft“, erklärt er. Ein Beispiel: Im April 2014 griff die SG nach dem DHB-Pokal, musste „nur“ die Füchse Berlin bezwingen, die sie wenige Wochen zuvor in eigener Halle mit elf Toren demontiert hatte. Doch dieses Mal jubelten die Füchse, die Gesichter der SG Akteure waren versteinert. „Das war ein schwerer Schlag“, erinnert sich Lasse Svan. „Uns schweißte diese Niederlage weiter zusammen. Ein paar Wochen später holten wir in Köln die Champions League.“

Die schwere Bundesliga
Meisterschaften gingen mehrmals auf der Zielgerade verloren. „Es ist verdammt schwer in der LIQUI MOLY HBL“, weiß der Rechtsaußen. „Man muss immer seine Hausaufgaben machen, darf keine Hilfe von anderen Teams erwarten.“ 2018 war das dann doch der Fall, als die SG nach einem Ausrutscher der Rhein-Neckar Löwen unverhofft an der Spitze standen. Es folgten zwei Wochen voller Anspannung und Nervosität, bis die Meisterschale in Flensburg bleiben konnte. „Dann musste ich mich bei meiner Frau entschuldigen“, schmunzelt Lasse Svan. „In jenen Tagen war es nicht einfach gewesen, mich in der Nähe zu haben.“ Zwölf Monate später wurde er SG Kapitän. Eine Rolle, die er als Ehre auffasste, die ihn aber mehr forderte, als er es ahnen konnte. Der Corona-Lockdown setzte ganz neue Rahmenbedingungen.

Erfolge in der dänische Nationalmannschaft
Mit dem Vereinsalltag paarte sich über zwei Dekaden die dänische Nationalmannschaft. Lasse Svan wurde zwei Mal Weltmeister, einmal Europameister und einmal Olympiasieger. An Gründonnerstag bestritt er in Kopenhagen sein letztes von 246 Länderspielen. Nach dem glatten Erfolg über Polen folgten eine offizielle Ehrung und stehende Ovationen. „Fantastisch, überragend, großer Stolz – ich muss all diese Wörter benutzen, um diesen Moment zu beschreiben“, strahlt Lasse Svan noch immer, wenn er darauf angesprochen wird. „Als ich schließlich nach Hause kam, hat mir nichts leid getan. Es war der richtige Zeitpunkt aufzuhören.“ Dieser Schritt folgte Mitte Juni auch im Vereinsdress.

Wie geht es weiter?
Nach einigen Ab- und Ummeldungen sowie einen kleinen Umzug zu seiner Familie in Kolding geht die Legende in den Handball-Ruhestand und möchte erst einmal die Seele baumeln lassen. „Ich will“, betont Lasse Svan, „meine Tage selbst gestalten.“ Sie werden nicht mehr dem Ablauf des Spielbetriebs gehorchen. Ab August beginnt ein neuer Lebensabschnitt, der Ex-Handballer möchte sich mit dem Mental-Coaching beschäftigen. Im November soll ein gemeinsamer Traum von ihm und Anders Eggert, nun Nachbar in Kolding, in Erfüllung gehen. Die beiden wollen in die USA fliegen und zwei Wochen lang in verschiedenen Städten Sport schauen: American Football, Basketball, Baseball und Eishockey. Es wird – so viel ist sicher – auch eine „Legenden-Fahrgemeinschaft“ nach Flensburg in die „Hölle Nord“ geben. „Ich wünsche der SG für die Zukunft nur das Beste“, sagt Lasse Svan. „Vor allem nicht so viel Verletzungspech wie in der abgelaufenen Saison.“