Kielce steht wie Flensburg für Handball. In die 200.000 Einwohner zählende Stadt, die 180 Kilometer südlich von Warschau liegt, rollen seit 1993 die Titel nur so herein. Lomza Vice Kielce feierte 17 Mal die polnische Meisterschaft, 16 Mal den polnischen Pokal und 2016 den absoluten Höhepunkt: die Champions League. Zuletzt ging es allerdings weniger um sportliche Lorbeeren als um finanzielle Sorgen. Der Namenssponsor PGE, ein Energieunternehmen, verabschiedete sich. Und auch Präsident Bertus Servaas, Eigentümer der Firma „Vive“, musste sein finanzielles Engagement zurückschrauben. Vor wenigen Monaten ging er an die Öffentlichkeit: „In Zeiten der Coronavirus-Pandemie, die sich sehr akut auf mein Unternehmen ausgewirkt hat, muss ich mich zwischen meiner Liebe zum Klub und der Verantwortung für über 2000 Mitarbeiter und ihre Familien entscheiden.“ Einige Wochen später hatte der polnische Meister zumindest einen neuen Namenssponsor für die nächsten vier Jahre: Lomza, ein Bier aus Ostpolen.
Starkes sportliches Gerüst
Die finanzielle Entwicklung und der fast vollständige, sportliche Ruhestand einer starken polnischen Handball-Generation nagten am Kader, das Gerüst besitzt aber immer noch internationale Klasse. Im Tor etwa steht Andreas Wolff, der gleich nach seinem Wechsel von Kiel nach Kielce im Sommer 2019 zum Kapitän ernannt wurde. Der kroatische Spielmacher Igor Karacic, der montenegrinische Linkshänder Branko Vujović, der weißrussische Kreisläufer Artsem Karalek oder der spanische Linksaußen Angel Fernandez bürgen für europäische Qualität. Von der alten polnischen Garde steht noch Krzysztof Lijewski im Aufgebot. Und dann gibt es ein magisches Familien-Dreieck: Trainer Talant Dujshebaev sowie seine beiden Söhne Alex und Dani, die aus dem Rückraum für viel Gefahr sorgen. Interessantester Neuzugang ist sicherlich Haukur Thrastarsson. Der isländische Spielmacher war gerade erst vom HC Selfoss gewechselt, als sein Vertrag bis 2025 verlängert wurde – obwohl der 19-Jährige an einem Mittelfußbruch laborierte. Er zählt zu den größten Talenten des Welthandballs.
