Ein internationales Landesderby

- 30 Jahre SG Flensburg-Handewitt, Folge 7

Anfang September, bei der feierlichen Saisoneröffnung in der Flensburger Holmpassage, hatte Christian Hjermind versprochen: „Wir werden deutscher Meister.“ Gelächter gab es nicht, schließlich gehörte die SG Flensburg-Handewitt neben Lemgo, Kiel und Nettelstedt zu den Favoriten der Saison 1997/98.

Die Ausgeglichenheit des Kaders sprach für die Nordlichter, die lediglich zwei Rückraumspieler als Ergänzung verpflichtet hatten: den 25-jährigen dänischen Linkshänder Morten Bjerre und den 23-jährigen Norweger Frode Hagen. „Wir sind nun in der Lage, jede Position doppelt zu besetzen, was bei unserem Tanz auf drei Hochzeiten auch notwendig ist“, erklärte Anders Dahl-Nielsen zufrieden. Doch seine Zuversicht schwand in den nächsten Wochen. Gegen Kiel und Lemgo haderte er mit der Leistung seiner Mannschaft, die dem jeweiligen Gegner spielerisch unterlegen gewesen war. Jan Fegter musste mit einem Bandscheibenvorfall mehrere Monate pausieren. Die SG musste kleinere Brötchen backen, fiel in der Bundesliga zeitweise in die zweite Tabellenhälfte zurück. Nicht eingeplant war zudem die Pokal-Pleite beim Zweitligisten Leutershausen.

Nur der EHF-Cup zählt
Der Tanz auf drei Hochzeiten hatte sich auf die Verteidigung des EHF-Cups reduziert. Ein ungleich schwierigeres Vorhaben als in der Vorsaison, da der eigene Triumph einer zweiten deutschen Mannschaft erst die Teilnahme ermöglichte: dem THW Kiel. Die SG suchte im Herbst 1997 nach dem Selbstvertrauen. „Es muss mal wieder richtig Klick machen, das wird uns helfen“, hoffte Matthias Hahn. Doch gegen Montpellier HB, immerhin Tabellenführer der französischen Liga, drohte beim 14:17 schon zum Auftakt die erste Heimniederlage auf europäischer Ebene. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn Lars Christiansen nicht zur Galaform aufgedreht hätte. Seine stolze Bilanz: 13 Versuche, zwölf Tore. Der 28:25-Endstand eignete sich nicht als Ruhekissen für die zweite Begegnung, diesmal am Mittelmeer. Mit einem 21:21-Remis zitterte man sich ins Achtelfinale.

Heiße Kulissen in Südeuropa
Der November 1997 brachte eine „heiße“ Reise. Im Süden von Nordmazedonien spielte Pelister Bitola in der Mladost-Halle, der „Halle des Friedens“. Die Spielstätte entlarvte sich allerdings als die „Hölle von Bitola“. Nachdem der SG-Tross unter Polizeischutz in die Halle geleitet worden war, sprang ihm eine äußerst feindselige Stimmung der 6000 heimischen Fans entgegen: Feuerwerkskörper flogen, einige Spieler wurden bespuckt. Das Spiel geriet in dieser brodelnden Atmosphäre zur Nebensache. Mit einer 24:27-Niederlage war unter diesen Umständen jeder zufrieden. Es konnte nur eine Antwort geben: die „Hölle Nord“. Doch der Funken sprang zunächst nicht vom Spielfeld auf die Ränge über. Nach 25 Minuten lag die SG mit 8:12 in Rückstand. Dann deckte Peter Leidreiter den mazedonischen Star Pepi Manaskov kurz. Das Spiel kippte, und die Fördehalle feierte einen 31:21-Erfolg. Auch das Viertelfinale überstand die SG: Einem knappen 28:30 in Valladolid folgte ein 32:26-Heimsieg.

Souveräner Sieg in Moskau
Das schleswig-holsteinische Traumfinale war in Sichtweite, die Loskugeln machten mit. Während sich der THW mit dem kroatischen Vertreter Brodomerkur Split auseinanderzusetzen hatte, musste die SG zu ZSKA Moskau jetten. Das Abenteuer „Moskau“ begann mit einem Handicap, da für Roger Kjendalen die Saison beendet war – ein Abriss der rechten Achillessehne. Peter Leidreiter war einmal mehr gefordert. In der russischen Metropole angekommen stellte der SG Clan fest, dass der Gegner mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hatte. Auch deren zentrale Figur, ein gewisser Igor Lavrov, fehlte. Das nutzte der Bundesligist, der aufgrund eines 30:24-Hinspielerfolgs das Finale praktisch erreicht hatte. Deshalb fand der Tag mit einer „La Ola“ auf dem Roten Platz einen entsprechenden Abschluss.

Das Hinspiel in Flensburg
Am 18. April 1998 das erste Finale: Der THW Kiel gastierte in der Fördehalle, deren Kapazität leicht aufgestockt wurde, sodass zumindest 4000 Glückliche das besondere Handball-Ereignis erleben konnten. Die SG kam hervorragend aus den Startlöchern und führte schnell 9:3. Wenig später erhielt THW-Abwehrchef Klaus-Dieter Petersen nach einer „Notbremse“ die rote Karte. Aber die SG versäumte es, dem angeschlagenen Favoriten den Todesstoß zu versetzen. Am Ende Tages stand nur ein 25:23-Sieg zu Buche. Für Zündstoff sorgte ein vermeintlich brutales Foul von Peter Leidreiter an THW-Shooter Nenad Perunicic. Obwohl weder die Schiedsrichter etwas gesehen hatte, noch die Zeitlupe im Fernsehen den Abwehrrecken überführen konnte, hagelte es schwere Vorwürfe seitens der Kieler.

Keine Chance in Kiel
Ein gellendes Pfeifkonzert empfing Peter Leidreiter vier Tage später vor dem Rückspiel in der Ostseehalle. Doch die Unmutsäußerungen wichen bald dem Jubel für die eigene Mannschaft. Der THW kam richtig in Fahrt und zog bis auf 16:7 davon. Die Ergebniskosmetik zum 26:21 half nichts. Der Titeltraum war für die SG geplatzt. Danach ging es nur noch darum, sich erneut für die europäische Bühne zu empfehlen. In der Bundesliga langte es für Platz vier, der die Teilnahme am City-Cup bedeutete. Damit endete die Ära von Trainer Anders Dahl-Nielsen. Auch sechs Spieler wurden verabschiedet.

Folge 8 am Montag: Der City-Cup als Trostpflaster