Ein gutes Händchen

- Interview mit Andreas Mau

Ein Mann der sich sonst eher im Hintergrund aufhält - SG Osteopath Andreas Mau. Im Interview erzählt er worauf es bei einem guten Händchen im Handball ankommt. 

Andreas, Du bist Osteopath beim Deutschen Meister 2018 und 2019 der Handball-Bundesliga, der SG Flensburg-Handewitt. Wie lange begeben sich die Profis schon in Deine Hände?

Andreas Mau: Ich hatte das Glück, als „Flensburger Jung“ seit Gründung der SG Flensburg-Handewitt 1990 bis heute dabei sein zu dürfen. Als Spieler der SG lernte ich die Spiel- und Trainingsbelastungen und die Bedeutung der medizinischen Betreuung kennen. 1999 wechselte ich dann vom Spieler zum Physiotherapeuten in das Medical Team. Ab 2003, mit dem Beginn der Osteopathieausbildung, habe ich die Osteopathie als weiteren Baustein in die medizinische Betreuung der Mannschaft integriert.

Handball gilt als äußerst körperbetonter Sport; welche Aufgabe kommt der Osteopathie zu und wieso setzen Profi-Mannschaften auf die ganzheitliche Medizin?

Andreas Mau: Die SG Flensburg-Handewitt besteht fast ausschließlich aus Nationalspielern unterschiedlicher Nationen. Diese Spieler sind über Jahre bis zu 360 Tage im Einsatz, wie Bundesliga, EM, WM oder Olympische Spiele. Die Regeneration, Akutversorgung von Verletzungen sowie das Auskurieren von Verletzungen erfolgt unter zeitlichem Druck. In dieser Saison mussten bereits 37 Pflichtspiele absolviert werden. Um die medizinische Betreuungsaufgaben leisten zu können, hat die SG Flensburg-Handewitt mit einem Mannschaftsarzt, zwei Orthopäden, drei Physiotherapeutin/en und einem Osteopath (HP) ein Gesamtkonstrukt geschaffen, um den genannten Anforderungen gerecht zu werden. Die Osteopathie ist ein wichtiger Bestandteil im medizinischen Team. Die Körper der Profisportler reagieren osteopathisch gesehen sehr sauber. Da ich selbst jahrelanger Bundesligaspieler war, weiß ich um die Bedeutung der ganzheitlichen Medizin für einen Profi, der national und international unter Belastung steht.

Schildere bitte an einem Beispiel Deinen Arbeitstag zwischen den Bundesligaspielen …

Andreas Mau: Ich arbeite nach Bedarf. Der einzelne Spieler meldet bei mir seinen osteopathischen Behandlungsbedarf an, und wir stimmen einen zeitnahen Behandlungstermin ab. Meist werden die Termine direkt auf dem Auswärts-Spiel-Rückweg mit mir abgestimmt. Also, Osteopathie on demand!

Und beim Spiel selbst?

Andreas Mau: Bei den Heimspielen treffe ich 2,5 Stunden vor Spielbeginn in der Halle ein. Mit der leitenden Physiotherapeutin Jana Kräber werden etwaige medizinische Auffälligkeiten/Probleme der letzten Tage besprochen. Beim Eintreffen der Spieler wird akuter Behandlungsbedarf vor dem Aufwärmen angemeldet. Die Kontrolle meiner osteopathischen Inventionen führe ich beim Aufwärmen durch. Während des Spiels bin ich entweder mit auf der Bank oder am Spielfeldrand, um eine Spielerversorgung direkt in der Kabine durchführen zu können. Die Akutversorgung bzw. Regeneration beginnen direkt nach dem Spiel.

Welche Körperstrukturen werden bei Handballern besonders strapaziert?

Andreas Mau: Es lässt sich keine Struktur besonders hervorheben. Durch die Schnelligkeit dieses Hallensportes ist der Spieler durch Sturz- und Stoßbewegungen besonders strapaziert. Es sind vielleicht spielpostionsspezifisch unterschiedliche Belastungen erkennbar (Beispiele: LWS, Becken- und Beinbereich, Schultergürtel, HWS, das parietale System).

Osteopathie hilft auch präventiv….

Andreas Mau: Da die Regenerationsprozesse frühestmöglich gestartet werden, kann der Spieler sein bestmögliches Leistungsspektrum abrufen. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel!

Hintergrund:
Der menschliche Körper stellt ein großes System von Strukturen und Funktionen dar, deren Teilbereiche sich in stetiger Wechselbeziehung befinden. Deshalb beschränken Osteopathen ihre Arbeit auch nicht auf den Bewegungsapparat, sondern beziehen Organe und Nervensystem in Diagnose und Therapie ein. Sie sehen nicht nur das schmerzende Fußgelenk oder das dicke Knie, sondern behandeln den Körper als ein Ganzes, der durch die Verletzung aus seiner komplexen Balance geraten ist. Verletzungen können über so genannte Spannungsketten weitere Beschwerden anstoßen. Fälle, in denen ein umgeknickter Fuß Wochen später für regelmäßige Kopfschmerzen ursächlich war, sind keine Seltenheit. Der Ort eines Schmerzes und der Ort seiner tatsächlichen Ursache können im Körper weit auseinander liegen. Auch körperliche Haltungsfehler können solche Spannungsketten auslösen. Hier liegt auch der Ausgangspunkt für die präventive Bedeutung der Osteopathie. Problembereiche des Körpers können schon erkannt werden, bevor ein Schaden entsteht. Die Spannungen im Körper zeigen, wo sich eine Blockade, ein Riss oder eine Muskelverhärtung anbahnen. Solange es sich noch um Funktionsstörungen, also die Vorstufe von Schäden, handelt, lassen die sich viel leichter behandeln als die späteren Schäden.

Weitere Informationen:
Verband der Osteopathen Deutschland e.V.