Der Weg zum Titel
Ohne Rückschläge ging es nicht. Am 20. September 2003 war um 19.30 Uhr die Welt noch in Ordnung gewesen, beim Abpfiff hatte sich die Zeitangabe in ein erschütterndes Ergebnis verwandelt. 19:30 gegen Magdeburg – so hoch hatte die SG noch nie zu Hause verloren. Eine halbe Stunde nach dem Schluss stellte sich ein geschockter Kapitän Sören Stryger ans Mikrofon. „Es hat irgendetwas gefehlt, wir wissen nur nicht was.“ Spielmacher Christian Berge fehlte an allen Ecken und Enden. Der Norweger war mit einem Spiralbruch an der Hand ausgefallen. Die Neuzugänge brauchten Zeit. Ein weiteres Manko: Marcin Lijewski war im rechten Rückraum auf sich alleingestellt, da der Este Kaupo Palmar nicht aus dem Vertrag herausgekommen war und die Interims-Lösung Pierre Thorsson chronische Schulter-Probleme hatte. Und als am Kreis ein Notstand herrschte, musste sogar Handball-Ruheständler Matthias Hahn ein kurzes Comeback geben. „Die schnelle Mitte war damals eine Neuerung – und zu schnell für mich“, schmunzelt der ehemalige Kreisläufer. „Ich war noch auf dem Rückweg nach hinten, da ging es schon wieder nach vorne.“ Nach dem 19:30-Heimdebakel gegen Magdeburg traf sich die gesamte Mannschaft in einem griechischen Restaurant – zur „Krisen-Bewältigung“. Das Gespräch hatte reinigende Wirkung. „Die Niederlage kam wohl zum richtigen Zeitpunkt und war lehrreich“, glaubt Andrej Klimovets. „Wir rückten noch näher zusammen und konnten eine Serie starten.“ In Essen, Kiel, Lemgo und Nordhorn blieb die SG nacheinander ungeschlagen und übernahm die Tabellenspitze. Zum Abschluss der Hinrunde betrug der Vorsprung bereits drei Zähler.
Ein erster Titel
Die Nordlichter agierten souverän. Der DHB-Pokal ging ins Netz, der Triumph in der Champions League wurde haarscharf verpasst, und in der Bundesliga kam die Konkurrenz nicht mehr heran. Am 16. Mai 2004 hatte die SG gegen Nordhorn ihren Matchball. Der Gast führte nach zehn Minuten mit 4:3. Angstschweiß in der „Hölle Nord“. Ein Treffer von Lars Krogh Jeppesen, gar ein „Hattrick“ von Johnny Jensen – das 7:4 war Balsam für die Nerven. Der Vorsprung der Hausherren wuchs stetig, während der Gesang der Fans ständig an Intensität gewann. „Deutscher Meister wird nur die SGW...“ Der Spielverlauf und auch der 41:32-Endstand waren nur noch Chronisten-Pflicht. Als besondere Nummernschilder mit dem Schriftzug „SG DM 2004“ verteilt wurden, war jedem bewusst: Deutscher Meister 2004 ist die SG Flensburg-Handewitt! Um 16.37 Uhr ertönte der Abpfiff, wenig später nahm Sören Stryger die Meisterschale entgegen. Sekt-Fontänen schossen über das Parkett, verwandelten es in eine klebrige Rutschbahn. „In der Halle war eine Riesenerleichterung zu spüren, wir haben gar nicht so viel gefeiert“, erzählt Jan Holpert. „Die Meisterschaft war über Jahre das große Ziel. Wir als Mannschaft und die Fans mussten aber viel Geduld aufbringen.“ Andrej Klimovets ging mit einem „Super-Gefühl“ durch die Halle. „Wahnsinn, dass das alles schon 20 Jahre her ist. Wir waren damals als Mannschaft gewachsen, und die Neuzugänge passten.“
Die Gegenwart
Eine Jubiläumsfeier wird es wohl nicht geben. Die Protagonisten von damals haben nur noch lockeren Kontakt und sind in alle Winde verstreut. Die Skandinavier im Team zogen in ihre Heimat zurück. Andrej Klimovets, der zuletzt beim Drittligisten TV Willstätt als Trainer aktiv war, lebt in Baden-Württemberg. Nur Matthias Hahn und Jan Holpert sind im Flensburger Raum wohnen geblieben. Die Erinnerungen an den Coup von damals sind aber noch immer schön.
Das Meister-Team von 2004
Dan Beutler, Jan Holpert, Lars Krogh Jeppesen, Damian Moszczynski, Kjetil Strand, Christian Berge, Alexander Buchmann, Joachim Boldsen, Maik Makowka, Marcin Lijewski, Pierre Thorsson, Robert Runge, Frank Wahl, Lars Christiansen, Stephan Schröder, Sören Stryger, Matthias Hahn, Jonny Jensen, Andrej Klimovets
Trainer: Kent-Harry Andersson, Co-Trainer Bogdan Wenta