Der gereifte Rückkehrer

- Kevin Møller im Portrait

Als Junge gegangen, als Mann zurückgekehrt – diese Eigeneinschätzung wurde inzwischen mehrfach zitiert. Kevin Møller stand schon von 2014 bis 2018 im Tor der SG Flensburg-Handewitt, war aber meist nur Ersatzkeeper. Dann wechselte der Däne in die Weltstadt Barcelona, sammelte etliche Titel und schloss das dreijährige Spanien-Kapitel mit dem Triumph in der EHF Champions League. Nun ist der 32-Jährige zurück.

Es fühlt sich ganz anders an als damals. „Ich war nur 25 Jahre, unerfahren und wusste noch nicht, was man von mir erwarten würde und wie ich trainieren muss, um beständig Top-Leistungen zu bringen“, erzählt Kevin Møller. „Jetzt bekomme ich meine Spielanteile, Benko bekommt seine. Er unterstützt mich und ich ihn.“ Benko – das ist Benjamin Buric, der neue Torhüter-Kollege. Nur einer kann im Kasten stehen, aber beide sind im Einsatz. Schon im Vorfeld einer Partie besprechen die beiden Keeper die Wurfbilder der gegnerischen Schützen. „Während des Spiels kommt manchmal ein Zeichen zur Trinkpause“, verrät Kevin Møller. „In Wirklichkeit ist dem anderen etwas aufgefallen. Manchmal sieht man von außen Dinge, die man im Tor nicht erkennt.“

Der 3. Juni 2018
Gut drei Jahre ist es inzwischen her, dass er als deutscher Meister ging. Auf den Bildern vom 3. Juni 2018 hält er die silberne Schale, in das Glücksgefühl mischte sich Wehmut. „Ich verließ meinen Herzensverein“, erinnert sich der Däne. „Auf der anderen Seite erwartete mich eine sehr interessante Möglichkeit, die man nicht so oft in einer Karriere bekommt.“ Er hatte ein Angebot des FC Barcelona angenommen, träumte von einem Sieg in der EHF Champions League, was im letzten Moment seiner dreijährigen Barca-Episode gelang. Er spürte den „Mythos“ Barca, staunte über das große Vereinsgelände, auf dem neben der Halle „Palau Blaugrana“ das große Stadion „Nou Camp“ thront. Manchmal war Kevin Møller einer von 90.000 Fußball-Fans. Sein Herz schlägt weiterhin für Juventus Turin, aber im spanischen Fußball liegen die Sympathien nun bei Barca. Er bewunderte die Stars um Lionel Messi. „Als er dann hörte, dass ich zurück nach Flensburg gehe, wollte auch er wechseln und landete in Paris“, sagt der Handballer mit einem Lächeln. Das war natürlich ein Witz. Er hatte den argentinischen Kicker einige Male auf dem Trainingsgelände gesehen, aber nie mit ihm gesprochen. Die Fußballer schweben auf einer eigenen Wolke. Im Vergleich zu den Ballwerfern, die den Kontakt mit ihren Zuschauern mögen, wirken die Fußballer unnahbar.

Eine andere Mentalität
Beim FC Barcelona herrscht definitiv ein anderes Flair als in Flensburg. „Ich mag die Barca-Spieler, wir haben uns alle umarmt, als wir uns vor Kurzem zur Partie in der Champions League wiedertrafen“, erzählt Kevin Møller. „Aber in diesem Verein dominiert eine Mentalität, bei der nur die Titel zählen. Dagegen gibt es bei der SG einen Teamgeist, der einzigartig zu sein scheint, der die unterschiedlichen Persönlichkeiten akzeptiert und jeden Neuzugang schnell in die Gruppe bringt.“ Aber Barcelona hatte definitiv seine Reize. Der Torwart wollte die Stadt hundertprozentig erleben, wählte eine Wohnung mitten im Zentrum. Kaum aus der Haustür, da flanierte er bereits über die berühmte Promenade „La Rambla“. Zum Training war es etwas weiter. Je nach Verkehr 20 bis 50 Minuten. Die Teamkameraden Lasse Andersson und Thiagus Petrus hatten noch einen Platz im Auto frei.

Spaziergänge an der Ostsee
Nun bildet der Rückkehrer eine Fahrgemeinschaft mit Mads Mensah. „Ich hoffe wirklich, dass ich noch einmal die EHF Champions League gewinne – diesmal mit der SG“, sagt Kevin Møller. „Dieses Ziel ist mit dieser Mannschaft nicht unrealistisch, wir müssen nur etwas Geduld haben.“ Er bezog nicht wieder eine Wohnung in der Nähe des Flensburger Nordermarkts, sondern entschied sich für ein Häuschen mit Garten in Handewitt. Er und seine Freundin Luise bekamen gerade ein erstes Kind. Der Handball-Profi liebt Spaziergänge an Strand und Meer. Etwa vom Ostseebad nach Wassersleben. Oder in Glücksburg. „Viele wissen gar nicht, wie schön es hier eigentlich ist“, sagt er. Ihm gefiel Flensburg auch schon als Teenager, als er mit seiner Familie von Bedsted, unweit von Løgumkloster, häufiger in die Fördestadt fuhr – zum SG Handball. Kevin Møller veränderte sich damals vom Rückraumspieler zum Torwart und schwärmte für die SG Keeper Søren Haagen und Jan Holpert.

Der Takt der Freizeit
Jetzt bestimmen Freundin und Familie den Takt der Freizeit. Wenn Kevin Møller mit der Mannschaft im Bus sitzt, spielt er gerne auf der Play-Station. Mit dieser beschäftigte er sich deutlich mehr, als er  während des Corona-Lockdowns in Barcelona eingesperrt war. Dann liefen die Fernduelle mit vielen bekannten Handballern, darunter auch Niklas Landin. Dieser war ein WG-Genosse gewesen, als Kevin Møller mit 15 Jahren zum Internat in Oure auf Fünen wechselte. Inzwischen hat sich das Torhüter-Duo zum dänischen Nationalkeeper-Gespann gemausert, wurde zusammen Weltmeister und errang Olympia-Silber in Japan. Das Land in Fernost würde Kevin Møller übrigens gerne mal erkunden. „Ich kenne nur einige Sporthallen und Tokio aus der Luft“, grinst er. Ein anderes Traumziel ist Hawaii, seitdem ihm sein Vater einmal von der pazifischen Inselgruppe mit der polynesischen Kultur oder historischen Schauplätzen wie Pearl Harbour erzählte. „Ich bin jemand, der auf Reisen mehr sehen möchte als nur Strand und Pool“, sagt Kevin Møller. Zunächst wird es aber wohl eher für die dänische Südsee reichen. Sein Fokus liegt auf dem Handball-Terminkalender – und den großen Zielen mit der SG.