Auf der Nordtribüne

- Ein Erlebnisbericht aus der „Hölle Nord“

In der Campushalle gibt es etwas Einzigartiges: die Nordtribüne, Handball-Deutschlands größter Stehbereich. Sie ist das Herz der Stimmung in der „Hölle Nord“. Sie gibt es seit 2001, seitdem die Campushalle offiziell eingeweiht wurde. Die Redaktion besuchte die Nordtribüne beim Heimspiel gegen den SC DHfK Leipzig.

18.45 Uhr: Der SG Song ertönt aus den Lautsprechern. Rhythmisches Klatschen setzt ein. Auf der Nordtribüne sind einige schon seit einer Stunde da, um sich eine gute Sicht zu sichern. Andere trudeln jetzt erst ein. 19 Uhr an einem Mittwochabend – da hat manch einer gerade erst Feierabend. Wiederum andere nutzen die letzten Minuten bis zum Anpfiff, um noch ein Bier zu holen.

18.50 Uhr: Logistik „live“ in der „Hölle Nord“! Über das Trommler-Podest und die Aufgänge gelangen Fahnen und Doppelhalter in den zentralen Bereich der Nordtribüne. Die Aktion gilt einer ordentlichen Begrüßung der Mannschaft. Es ist dunkel im Rund. Moderator „Holzi“ Holst ruft die Vornamen der Spieler, die Fans den jeweiligen Nachnamen. Dazu ertönt stets ein kleines Trommel-Stakkato.

18.55 Uhr: Der Gänsehaut-Moment schlechthin. Die Fahnen und Doppelhalter werden in die Höhe gehalten und formieren sich zu einer bunten Choreografie. Fast alle klatschen zu „Auf in den Kampf“. Die Mannschaft kommt in die Campushalle. Ein großartiger Empfang, der mit Gesang abgerundet wird. „Shalala, SG Flensburg-Handewitt!“

19.00 Uhr: Der Gast aus Leipzig hat den ersten Angriff und läuft die ersten 30 Minuten gegen die Nordtribüne an. Eine schwere Aufgabe! Im mittleren Bereich geben die Trommeln den Takt der „Hölle Nord“ vor. Im „Hot Spot“ werden wenige Sekunden später die Arme hochgerissen: Mads Mensah hat auf der Gegenseite das erste Tor geworfen. Johannes Golla bekommt eine Zeitstrafe. Die Fans quittieren diese Entscheidung mit Pfiffen. Kurz darauf muss auch Blaz Blagotinsek auf die Bank. Auch das verstehen viele nicht. Schieber-Rufe ertönen. Jedem ist bewusst: Da kommen schwere Minuten auf die Lieblinge zu.

19.11 Uhr: Das Gröbste scheint überstanden. Eine gewisse Erleichterung gehr über in Anfeuerung. Emil Jakobsen trifft zum 5:4. Ein Einpeitscher auf der Nordtribüne singt ins Megafon: „Ole, ole!“

19.18 Uhr: Das 7:6 durch Simon Pytlick, ein echter Hammer. Gefühlt springen die Fans noch ein Stückchen höher, die ein Trikot mit der Nummer zwei tragen. Und schon ist Simon Pytlick erneut unterwegs, bis die Schiedsrichter bei ihm einen technischen Fehler ahnden. Der Däne will das nicht wahrhaben. Mindestens die Hälfte auf der Nordtribüne auch nicht – kollektiver Protest.

19.22 Uhr: Eine Parade von Kevin Møller! Der passende Jingle erklingt. Der Torwart dreht sich während seiner Jubel-Pose um und blickt in den furiosen Orkan der Nordtribüne. Das Echo ist gewaltig, der Austausch zwischen Fans und Spielern funktioniert. Beim 8:8 gibt es eine Auszeit für die Teams. Nicht für die Anhänger. „Auf geht´s Flensburg, kämpfen und siegen“, skandieren sie. Und sie singen: „Steht auf, wenn ihr Flensburg seid!“

19.31 Uhr: Auf dem Podest des Fan-Clubs „Hölle Nord“ regieren die drei Trommler. Sie und alle  Umstehenden tragen Trikots, einen Schal oder eine passende Kopfbedeckung – oft auch kombiniert. Ein Fan meint: „Das Spiel ist ja spannend, aber auch etwas hektisch!“ Da verwandelt Emil Jakobsen einen Siebenmeter per Heber. Ein Jubel-Sturm bricht los. Ein junger Mann ruft mit geballter Faust: „Toll hat er das gemacht!“

19.42 Uhr: Karneval im hohen Norden! Mit seinem Tor und vor allem seinem Party-Lied bringt Lukas Jørgensen die Stehplätze noch mehr in Schwung, als sie ohnehin schon sind. 16:14 heißt es zur Pause. „Flensburg! Flensburg!“, begleiten Sprechchöre die Spieler in die Kabine.

20.01 Uhr: Die zweite Halbzeit beginnt. Noch sind nicht alle zurück. Einige stärken sich mit Imbiss und Getränk. Die SG gibt Gas. Teitur Einarsson erzielt das 19:15. Die Tore fallen nun direkt vor der Nase – das motiviert die Fans auf der Nordtribüne scheinbar noch mehr.

20.10 Uhr: Es wird immer besser. Lasse Møller erhöht auf 24:18. Die Fans sind im siebten Handball-Himmel. „Drei Mal deutscher Meister, vier Mal den Pokal…“

20.15 Uhr: Wieder Siebenmeter für Emil Jakobsen! „Das machst du – auch wenn du schon einen verworfen hast“, schreit ein Anhänger seine Anspannung heraus. Der Ball zappelt im Netz und löst auf den Rängen laute Erleichterung aus. 26:20 – in den Gesängen schwingt immer mehr Zuversicht mit.

20:32 Uhr: Es wird immer deutlicher. Der junge Mann mit dem Megafon gibt den Takt vor: „Let´s go!“ Alles klatscht. August Pedersen ist auf dem Spielfeld und schließt zwei Tempogegenstöße zum 32:22 ab. Ein Jubel-Teppich legt sich von der „Nord“ über das ganze Rund. „Die SGW ist wieder da!“

20.40 Uhr: „Sieg, Sieg!“ Die SG gewinnt mit 34:24 gegen Leipzig, deutlicher als viele erwartet hatten. Die Schlusssirene geht in den Gesängen unter. Einige Zuschauer verlassen sofort die Nordtribüne. Schließlich ist es ja ein Mittwochabend, am nächsten Tag rufen Arbeit oder Schule. Die meisten bleiben und begleiten mit rhythmischem Applaus den Tanz der Spieler. Es folgt eine gemeinsame kleine Siegesfeier. „Flensburg-Handewitt, wohin du gehst, wir kommen mit!“ Die Arme fliegen in Wellenbewegungen nach oben. August Pedersen erhält eine besondere Stimmungssalve. Tags zuvor hat er seinen Vertrag verlängert. Dann ist der Abend in der „Hölle Nord“ vorbei. Zufrieden gehen alle nach Hause. In nur vier Tagen geht es weiter: Dann lockt wieder ein Heimspiel auf der Nordtribüne.