„Auch Rekorde gehören zur Vita“

- Lasse Svan und Lars Christiansen: Das Interview der Woche

Über eine Dekade waren die 626 Einsätze, die Lars Christiansen für die SG Flensburg-Handewitt bestritt, eine unerreichbar wirkende Bestmarke. In der zweiten November-Hälfte ist Lasse Svan nicht nur gleich-, sondern auch vorbeigezogen und ist nun der Rekordspieler der SG. Nach einem Training in der Duburghalle sprach die Redaktion mit dem Kapitän und auch mit Lars Christiansen, der als Koordinator der SG Lizenzspieler-Abteilung tätig ist, über Bestmarken, Tore, Druck und 14 Jahre bei der SG.

14 Spielzeiten für einen einzigen Klub auf dem Spielfeld – das ist ganz selten, aber ihr beide habt es für die SG Flensburg-Handewitt geschafft. Redet ihr manchmal über diese magische Zahl?
Lars Christiansen: (lacht) Wir sprechen nicht miteinander. Nein, im Ernst. Von außen werden solche Rekorde und Zahlen hereingetragen und dann reden wir auch mal darüber. Ich war damals sehr stolz, dass ich so lange für einen Top-Verein wie die SG spielen durfte – und das als Ausländer. Anderersits hatte die SG immer einen speziellen Charakter für mich, sodass ich nie wechseln wollte.
Lasse Svan: Ich erinnere mich noch gut an das Abschiedsspiel von Lars im Jahr 2010. Thomas Mogensen, Anders Eggert und ich überlegten uns, ja wir staunten, wie lange 14 Jahre sind. Diese persönliche Leistung faszinierte uns. Ich hatte bei GOG sechs Jahre gespielt, was mir sehr lang vorkam. Aber 14 Jahre waren mehr als das Doppelte. Zudem schaffte Lars es bei einem europäischen Top-Klub und dominierte seine Position. Was für eine Leistung!

Und wie geht ihr mit dem Status des Rekordspielers um? Im Oktober übernahm Lasse ja bei den erzielten Feldtoren die Spitze, im November auch bei den Einsätzen.
Lars Christiansen: Als ich jung war, hatte ich mich nicht um Rekorde geschert. Auch Zeitungsberichte interessierten mich nicht. Wenn ich sie jetzt sehe und mein Name in den Zeilen steht, bedeutete es mir etwas. So ist es auch mit den Rekorden. Mein Name wird immer mal wieder genannt, obwohl ich schon seit Langem nicht mehr spiele. Das macht mich schon stolz. Aber irgendwann fallen diese Bestmarken. Aktive Spieler ziehen daraus Motivation, mich zu überflügeln. Lasse holte sich nun den einen oder anderen SG Rekord. Bei der dänischen Nationalmannschaft habe ich Mikkel Hansen und Niklas Landin im Nacken.
Lasse Svan: Für jeden Sportler ist es immer das Ziel, zu gewinnen und etwas zu erreichen. Am Ende einer Karriere stehen dann im besten Fall Goldmedaillen, Meisterschaften und auch Rekorde in deiner Vita. Es ist dann schon etwas Besonderes, einem so berühmten Spieler wie Lars Christiansen den einen oder anderen Rekord abzunehmen.

Hattest du irgendwann mal darauf geschielt, die 626 Einsätze und damit Lars als Rekordspieler zu überflügeln?
Lasse Svan: Letztes Jahr hatte mich mal jemand darauf angesprochen. Dann schaute ich mir die Statistik an und stellte fest, dass es passieren wird, da noch genug Spiele bis zum nächsten Sommer ausstehen. Man muss aber auch sagen, dass im Vergleich zu damals die Zahl der Spiele in der EHF Champions League deutlich angewachsen ist. Sonst wäre es wohl nicht möglich gewesen, Lars zu überholen.
Lars Christiansen: In den 14 Jahren fehlte ich insgesamt nur acht Mal, ich war fast nie verletzt.
Lasse Svan: Bei mir waren es ein paar Spiele mehr. Einmal hatte ich etwas an der Leiste, was aber erst relativ kurz vor der Sommerpause passierte. Und im Dezember 2019 erwischte es mich an der Schulter. Da verpasste ich letztendlich auch nicht so viele Spiele, da dann der Corona-Lockdown kam.

Die 3996 Tore insgesamt von Lars für die SG bleiben wohl auf Dauer unerreicht. Lasse, du hast in deiner Statistik nur 20 Siebenmeter. Findest du es eigentlich schade, dass du nie als erster Siebenmeterschütze entdeckt wurdest?
Lasse Svan: (lächelt) Nein, ich war immer in der glücklichen Situation, dass es immer hervorragende Handballer gab, die diesen Job so gut erfüllten. Bei der SG war es zunächst Lars, dann lange Zeit Anders Eggert und jetzt Hampus Wanne. Es gab für mich auch mal Spiele, dass man kein oder nur ein Tor machte, weil ich kaum einen Wurf hatte.
Lars Christiansen: Ich hatte immer den Druck in der Öffentlichkeit, dass meine Leistung an der Zahl der Tore bewertet wurde. Wenn es nur fünf waren, darunter vielleicht auch noch drei oder vier Siebenmeter, war es für viele nicht so gut.
Lasse Svan: Druck hast du immer, den machst du dir auch selbst. Auch wenn du 57 Minuten das Spielfeld nur rauf- und runterläufst, musst du für die eine Gelegenheit bereit sein, denn sie kann entscheidend sein. Profi-Handball ohne Druck ist nicht möglich und erst recht nicht, wenn du 14 Jahre bei der SG spielst.

Eine ganz andere Frage: Könnt ihr euch noch an eure ersten Spiele für die SG erinnern?
Lars Christiansen: 1996 waren wir zum Auftakt mit dem Zug nach Großwallstadt gefahren. Ich saß die kompletten 60 Minuten nur auf der Bank. Ich machte dann dem damaligen Trainer Anders Dahl-Nielsen klar, dass ich so etwas überhaupt nicht gewöhnt war. Es wurde eine lange Rückfahrt. Beim ersten Heimspiel – ich weiß gar nicht mehr gegen wen – durfte ich dann spielen.
Lasse Svan: Bei mir war es auch ein Heimspiel, 2008 gegen Balingen. Für mein erstes Tor kam ich über den Rückraum, wobei ich von Frank Ettwein voll einen auf die Brust bekam. Schmerzhaft – aber der Ball war im Tor.

Von 2008 bis 2010 hattet ihr zwei gemeinsame Jahre bei der SG. Welche Erinnerungen sind hängengeblieben?
Lasse Svan: Bis dahin kannten wir uns nur etwas aus der Nationalmannschaft. Wir verstanden uns auf Anhieb und waren häufiger zusammen essen. Das war nicht selbstverständlich bei einem Altersunterschied von elf Jahren.
Lars Christiansen: Unglaublich, ich kann mich noch sehr gut erinnern, wie Lasse zur SG kam. Und jetzt sind es 14 Jahre, dass er in Flensburg spielt. Wir sind immer im Gespräch geblieben, auch die Dekade, die ich nicht bei der SG war.

Im Training standet ihr damals oft gegenüber. Hattet ihr auch Pflichtspiele gegeneinander bestritten?
Lars Christiansen: Ich meine, mich dunkel an ein Spiel in Odense zu erinnern. GOG gegen die SG. War es ein Spiel in der Champions League?
Lasse Svan: Nein, das war ein Testspiel. Du hattest mir damals viel Platz gelassen, sodass ich fünf Mal einen sehr guten Winkel hatte, aber fünf Mal stand Jan Holpert im Weg. So dauerte es noch ein paar Jahre, bis die SG auf mich aufmerksam wurde.
Lars Christiansen: Bei mir war es anders herum. Im Herbst 1995 hatte ich Jan Holpert in zwei Europapokal-Partien die Bälle nur so um die Ohren geworfen, dass er mich dann fragte, ob ich nicht nach Flensburg kommen könnte. Bei dir, Lasse, hat mich immer beeindruckt, wie du die Bälle so gut durch die Beine werfen kannst. Wie auch einige andere Rechtsaußen.
Lasse Svan: (schmunzelt) Wir Rechtsaußen haben nun einmal einen anderen Stil als ihr Linksaußen. Was wir machen ist Handwerk, bei euch ist es Show.