Fördehalle eine Festung
Zu Hause verteidigte die SG die ganze Saison ihre weiße Weste, präsentierte sich zumeist dominant. Das war gegen Wetzlar nicht anders. Dennoch herrschte Verwirrung. 36:28 hatten die Beobachternotiert. Im Spielbericht tauchte nach dem 34:23 aber ein 34:25 auf. Da das offizielle Papier bereits unterzeichnet war, meldeten die Ergebnisdienste ein 36:29. Ein „Phantom-Tor“, das im Mai 2001 tatsächlich eine Bedeutung erhalten sollte. Im Herbst 2000 allerdings machte der SG die fehlende Konstanz in der Fremde zu schaffen. Die SG lag bald drei Zähler hinter dem SC Magdeburg und der SG Wallau-Massenheim. Nach dem Landesderby feierte die Fördehalle: „Oh, wie ist das schön“. Fans, Spieler und Betreuer umarmten sich, konnten ihr Glück kaum fassen. Mittendrin Christian Berge. Er war es, der zwei Sekunden vor dem Ende den Ball in das Kieler Gehäuse zum erlösenden 30:29 befördert hatte. Begünstigt war der letzte Treffer durch eine Zeitstrafe gegen die Kieler. Christian Berge zog sich das rote Leibchen über und umkurvte in doppelter Überzahl die THW-Abwehr und spazierte wie „auf der Autobahn“ zum Sieg.
Odyssee an die Tabellenspitze
Es blieb eng im Handball-Oberhaus. Die SG blieb oben dran, meisterte dabei einige Widrigkeiten. „Faxe“ Jörgensen fiel nach einem Muskelriss in der Wade bis März aus. Die Reise nach Eisenach verlief äußerst turbulent. Wegen orkanartiger Böen war der Charterflug kurzfristig ausgefallen. Der SG Tross verpasste seine Anschlusszüge in Hamburg und Kassel. Ein bestellter Bus kam nicht. Für das letzte Stück nach Thüringen mussten Taxis aushelfen, sodass die Spieler erst 30 Minuten vor Anpfiff am Fuß der Wartburg eintrafen. Dennoch fuhr die SG nach 19 Spieltagen die inoffizielle Herbstmeisterschaft ein. So ganz nebenbei reiften die Europapokal-Hoffnungen. Im Viertelfinale erwies sich selbst das renommierte ungarische Team Veszprém nur phasenweise als schwere Prüfung. Einige Wochen später gelang im deutsch-deutschen Duell gegen Großwallstadt der fünfte internationale Finaleinzug in Folge. In der Bundesliga allerdings machte die SG schlechte Erfahrungen mit den Unterfranken. In Aschaffenburg erwischte der Spitzenreiter einen 1:7-Fehlstart, der nicht mehr wettzumachen war. Die Konkurrenz horchte auf: Auch in Dutenhofen glückte wenig, der nächste Rückschlag musste verdaut werden.
Der Triumph von Leon
Auswärts erlebten die Schlachtenbummler weiterhin zahllose „Achterbahn-Fahrten“. Kummer bereitete Søren Haagen, der über mysteriöse Schmerzen an den Füßen klagte. Die Bundesliga-Karriere des Dänen war beendet. In dieser Notsituation reaktivierten die SG Verantwortlichen den „Hexer“ Andreas Thiel. So spät in der Saison erhielt die Torwart-Ikone allerdings keinen Lizenzspieler-Status mehr und durfte daher nur vier Mal eingesetzt werden – in zwei Bundesliga-Partien und in den beiden Finalspielen des Europapokals. Die brachten großen Handball nach Flensburg. Die SG spielte gegen Ademar Leon groß auf: Im Angriff nutzten Lars Krogh Jeppesen und Jan Eiberg Jörgensen ihre Chancen. Würde das 32:25 reichen? Der Handball-Tempel von Leon entpuppte sich als Hexenkessel. Beim 24:18 wurde es eng, die SG schien am Druck von den Rängen zu zerbrechen. Nur noch ein Tor – und die Trophäe würde in Spanien bleiben. Die letzte Minute: Stefan Schröder sah nach einer „Notbremse“ gegen Carlos Lima die rote Karte. Siebenmeter für Leon! Alberto Entrerrios trat an. Doch der Fuß von Jan Holpert versperrte dem Ball den Weg ins Netz. Die letzten Sekunden bewältigten seine Kollegen in Unterzahl, ehe Igor Lavrov mit dem 19:24 die Gäste erlöste. Manfred Werner lachte. Er blickte auf Jan Holpert und Andreas Thiel: „Wir haben zwei Hexer!“