Zum ersten Mal Bundesliga

- Der Aufstieg des FTB vor 50 Jahren

Am 20. März 1971, also vor genau 50 Jahren, begann im Handball eine neue Zeitrechnung. Damals erreichte erstmals ein Verein der hiesigen Region die höchste deutsche Spielklasse, die noch zweigeteilte Bundesliga. Der Klub, dem dieses Kunststück gelang, war der Flensburger TB, ein Vorläufer des TSB Flensburg und damit der SG Flensburg-Handewitt. Einige Zeitzeugen erinnern sich an diesen Erfolg in einer anderen Handball-Epoche.

Diesen 20. März 1971 und die Phase davor hat keiner der Protagonisten von damals vergessen. „Flensburg befand sich einige Wochen in Aufruhr, das war einmalig für unsere Zeit“, schwärmt Hans Jürgen Zastera. Sönke Voß meint gar: „Flensburg spielte wochenlang verrückt.“ Und Knut Börnsen, der am 20. März sonst immer seinen Geburtstag feiert, schmunzelt: „Mein 27. Geburtstag war nur Nebensache – auch für mich zählte nur die Bundesliga.“ Statt Kaffee und Kuchen zu Hause wuchs die Anspannung. Es interessierte nur die Alsterdorfer Sporthalle zu Hamburg, wo das entscheidende Spiel stattfand.

Ein langer Weg
Bis der Meister der Regionalliga Nord am „Ziel seiner Träume“ war, musste er einen harten Weg zurücklegen. Am 7. März 1971 stieg die erste Paarung in der Bundesliga-Relegation gegen Westmeister Münster 08. Es hätten gut und gern 3000 Karten verkauft werden können. Auf dem Schwarzmarkt wurden bis zu 30 D-Mark für ein Ticket geboten. Der FTB agierte erstaunlich dominant und landete einen 27:13-Kantersieg. Eine Woche später wurde der scheinbar designierte Aufsteiger von Oberbürgermeister Heinz Adler und Stadtpräsident Artur Thomsen am Bahnsteig in Flensburg verabschiedet. In Münster übernachteten die FTB-Akteure in einem Hotel direkt am Bahnhof. „Am nächsten Tag hörten wir dort, wie der Sonderzug eintraf“, erzählt Hans Jürgen Zastera mit leuchtenden Augen. Zum Rückspiel folgten 500 Schlachtenbummler in einem Sonderzug. Doch dann lief es ganz anders als erhofft. Münster drehte den Spieß, siegte mit 21:13. Das bessere Torverhältnis zählte nicht, eine dritte Partie auf neutralem Boden musste den Ausschlag geben. „Nach dem ersten Spiel hätten wir uns gar kein drittes Spiel vorstellen können“, staunt Hans-Joachim Krüger noch immer. „Wir hatten einen schlechten Tag erwischt, und die Münsteraner wussten, was auf sie zukommt.“ Auf der Rückreise setzten sich die FTB-Spieler in die Zugabteile zu den Fans – gefeiert wurde trotzdem.

Das entscheidende Spiel
Dann der 20. März 1971: Nicht weniger als 1300 Flensburger bevölkerten die Alsterdorfer Sporthalle. „Vielleicht waren die Zuschauer entscheidend, dass wir das Flensburger Bundesliga-Schiff zum Schwimmen brachten“, glaubt Knut Börnsen. „Die Nervosität war da, es ging ja um die Wurst.“ Beim 9:11 witterte Münster bereits Bundesliga-Luft, hatte aber die Rechnung ohne Dieter Liesch gemacht, der mit drei Treffern die Wende besorgte. Hans-Joachim Krüger erhöhte, Münster verkürzte auf 14:13. Das Kampfgericht verhängte eine Nachspielzeit von gut vier Minuten. Immer wieder gab es Unterbrechungen, weil ungeduldige Flensburger Fans die Spielfläche stürmten. Als die Partie dennoch nicht weiter verlängerte, hagelte es heftige Proteste von Spielern und Zuschauern aus Münster. Die Polizei musste die Ordnung wiederherstellen. Das bekamen die FTB-Spieler gar nicht mehr mit: Sie befanden sich bereits im siebten Handball-Himmel. „Das war Flensburger Sportgeschichte“, betont Sönke Voß. „Die Bundesliga war etwas Neues, und wir erreichten dieses Ziel unter ganz anderen Verhältnissen als heutzutage.“

Ein ganz anderer Rahmen
Die Handballer waren lupenreine Amateure, die erst spät abends nach der Arbeit zum Training kamen. Und das in stetig wechselnden Hallen: mal an der Pädagogische Hochschule, dann in der Duburghalle oder an der Fernmeldeschule. Werbung auf Trikots oder auf Banden gab es noch nicht. Kommerz und Sport kannten noch keine Symbiose. Sogar das gemeinsame Aufstiegsessen auf der Rückfahrt in Bad Bramstedt mussten die Handballer selbst bezahlen. „Wir bekamen Spesen von 30 Mark, ein Geschäft war das nicht“, verrät Hans-Joachim Krüger. Der Bus fuhr am Südermarkt vor, wo der „Grogkeller“ als Anlaufstation diente. In und vor der Bar stieg die Aufstiegssause. „Als sich alles etwas beruhigt hatte, verstanden wir erst, was dieser Aufstieg bedeutete“, erzählt Hans Jürgen Zastera. „Die Gegner hießen plötzlich VfL Gummersbach und THW Kiel.“ Knut Börnsen nahm die nächsten Tage häufiger „doppelte“ Glückwünsche entgegen – zum Aufstieg und zum Geburtstag. Jetzt kann er in Ruhe seinen Geburtstag feiern. Ein Treffen mit den alten Kameraden wird es aufgrund der Corona-Pandemie nicht geben. „Verschoben ist nicht aufgehoben“, sagt Sönke Voß.

Hinweis: Der Aufstieg von 1971 und viele weitere Erfolge und Anekdoten aus der Geschichte des Flensburger Handballs sind Bestandteil von „Die SG Story – Teil 4: 1990-2020“.