„Wir verstehen uns als Trainer-Team“

- Das Interview der Woche

Zwei Tage liegt der Porto-Krimi zurück, noch zwei Tage sind es bis zum Auswärtsspiel in Leipzig. Vor dem Eingang scheint die Frühlingssonne, im Innern ist das Training der SG Flensburg-Handewitt gerade beendet. Die Spieler gehen nach Hause. Co-Trainer Mark Bult schiebt noch eine Extra-Schicht ein: ein Gespräch mit der KONTER-Redaktion.

Mark Bult, wann beginnt für einen Co-Trainer die Vorbereitung auf das nächste Spiel?
Mark Bult: Für das Spiel in Leipzig ist schon alles fertig. Bereits jetzt beginnen die Vorarbeiten für die dann folgende Auswärtsreise nach Barcelona. Wenn wir in den Bus nach Leipzig gestiegen sind, sichte ich schon das Material und beginne damit, Videos zurechtzuschneiden. Mental ist das schon sehr anstrengend. Es geht Schlag auf Schlag. Wir haben keine Zeit, Spiele auszuwerten und nachzuarbeiten – dafür sind es einfach zu viele Gegner, auf die wir treffen.

Welche Aufgaben hast du im Bereich der Vorbereitung und des Trainings?
Mark Bult: Hauptsächlich bin ich in die Analyse des nächsten Gegners involviert. Wir haben den Anspruch, alles über den Gegner wissen zu wollen, um nicht überrascht zu werden und uns gut vorbereitet zu fühlen. Im Training schaue ich mir natürlich auch alles an und spreche etwas an, wenn mir etwas auffällt. Da habe ich das Vertrauen von Maik Machulla. In anderen Vereinen ist der Chef-Trainer auch der absolute Chef. Bei der SG verstehen wir uns eher als Trainer-Team. So unterstütze ich auch unseren Torwart-Trainer Michael Bruun in der Video-Zusammenstellung oder kümmere mich um die Keeper, wenn er mal mit der dänischen Frauen-Nationalmannschaft unterwegs ist.

Und was machst du an einem Spieltag?
Mark Bult: Mein Zuständigkeitsbereich ist hauptsächlich die Abwehr. Wir machen stets eine Gruppen-Besprechung mit den wichtigsten Defensivspielern. Es geht um die Wiederholung, denn auf jeden Gegner stellen wir uns etwas anders ein. Die Taktik und die Qualität auf den einzelnen Positionen sind immer unterschiedlich. Im Spiel haben wir unsere Spezialisten-Wechsel. Dann kommt es vor, dass Simon Hald neben mir kurz auf der Bank sitzt, wir uns schnell austauschen und er dann neue Infos mit auf das Spielfeld nimmt. 

Maik Machulla sieht man ja oft vor der Bank stehend, du sitzt eigentlich immer. Ist die Anspannung bei einem Co-Trainer kleiner als bei einem Chefcoach?
Mark Bult: (schmunzelt) Wenn ich mal stehe, interveniert gleich das Kampfgericht, da sich nur einer von seinem Platz entfernen darf. Ich muss mich zurückhalten, was bei manchen Situationen im Spiel sehr schwierig sein kann. Es würde aber auch komisch aussehen, wenn zwei Trainer emotional an der Bank unterwegs sein würden. Ich muss vielmehr darauf achten, dass die Spieler sich nicht zu sehr aufregen und sich auf ihre sportliche Aufgabe konzentrieren.

Wie würdest du dein Verhältnis zu Maik Machulla beschreiben: professionell, freundschaftlich oder ganz anders?
Mark Bult: Es ist in jedem Fall von Vorteil, dass wir uns bereits seit 2004 kennen. Schon damals spielten wir in Nordhorn zusammen. Wir sind befreundet, wollen beide aber auch hochprofessionell arbeiten. Wir freuen uns dann über die Erfolge und ärgern uns besonders, wenn es trotz 20 Stunden Video-Vorbereitung mal nicht so gut gelaufen ist. Ich spüre ein blindes Vertrauen. Maik weiß, was ich kann.

Ist es dein Ziel, irgendwann Chefcoach zu werden? Und wenn ja: Wo?
Mark Bult: Als Motivation ist natürlich der Wunsch vorhanden, irgendwann einmal als Chefcoach zu arbeiten. Es ist aber auch ein Traum, einen Top-Verein als Co-Trainer zu erleben. Wenn es passt, sollte der zukünftige Verein schon aus Deutschland sein, da unsere Kinder in Deutschland geboren wurden. Es macht für mich eher weniger Sinn, in die Niederlande zurückzukehren, da dort im Handball noch eher hobbymäßige Strukturen dominieren.

Du bist ja schon seit etwa 20 Jahren im Handball-Business dabei. In welchen Bereichen hat es die größten Veränderungen gegeben?
Mark Bult: Das Spiel ist schneller geworden. Die bemerkenswerteste Entwicklung betrifft aber die Regeneration. Als ich noch aktiv war, hieß es nach einem Spiel nur: „Morgen ist frei, wir machen nichts!“ Heutzutage wird den Spielern ein aktives Programm mitgegeben. Und nach dem Abpfiff geht es in die Eistonne. Eine gute Entscheidung war auch, dass Aufgebot von 14 auf 16 Akteuren pro Spiel zu erhöhen. Mit dieser Größe kann man sehr gut umgehen.

Wer muss mehr Zeit investieren: Ein Trainer oder ein Spieler?
Mark Bult: Definitiv die Trainer. Die Spieler gehen nach Hause und können auch entspannt spazieren gehen. Wir Trainer müssen schon wieder an den nächsten Gegner denken und schauen ständig Videos. Ich empfinde das aber als Privileg: Wir konnten unser Hobby zum Beruf machen.

Die Niederlande hat bei der letzten Europameisterschaft für Furore gesorgt: Wie siehst du den Handball in deinem Heimatland?
Mark Bult: Das Niveau in den Niederlanden entspricht dem der zweiten oder dritten Liga hierzulande. Die jungen Spieler wissen: Wenn sie wirklich etwas erreichen wollen, dann müssen sie ins Ausland gehen. Luc Steins, Niels Versteijnen, Dani Baijens oder Kay Smits sind da gute Beispiele. Handball ist bei uns längst nicht so populär wie Fußball und auch Eisschnelllauf. Die Handball-Frauen erlangten in den letzten Jahren eine höhere Aufmerksamkeit. Der Männer-Handball braucht noch mehr Erfolge, damit möglichst viele Kinder denken: Handball ist cool.

Wie intensiv verfolgst du eigentlich die Großturniere?
Mark Bult: Die Spiele der Niederlande sah ich natürlich alle. Sonst genoss ich im Januar auch meine freie Zeit. Ab der zweiten Gruppenphase schaute ich die EM intensiver und wollte wegen unserer Spieler auch wissen, was Dänemark, Schweden, Deutschland und Island so machten.

Wie viel Zeit ist bei dem vielen Handball für andere Dinge? Was machst du gerne in deiner Freizeit?
Mark Bult: Es geht Schlag auf Schlag, da bleibt leider wenig Zeit für andere Dinge. In den freien Wochen ist es wichtig, dass man mal aus dem gängigen Rhythmus herauskommt. Vor Kurzem startete ich mit der Gartenarbeit. Ich verbringe dann auch mehr Zeit mit meiner Frau und den Kindern, die nur zu gut spüren, dass ich viel unterwegs bin. Wir machen gerne Ausflüge in der Umgebung.

Wie gefällt es dir in Flensburg und im Wohnort Handewitt? Ist der hohe Norden für dich und deine Familie zu einer Art Wahlheimat geworden?
Mark Bult: Das kann man schon sagen. Gerade im Sommer nutzen wir die Strände. Dann hören wir von Bekannten: Ihr lebt ja dort, wo man gerne Urlaub macht. Es ist hier viel entspannter als in Berlin, wo es nur hektisch ist. Auch für die Kinder wird es schwer sein, wenn wir irgendwann hier wegziehen müssten. Zum Glück ist aber ein Abschied derzeit kein Thema.