„Viele gute Leistungen“

- Das Interview der Woche: Maik Machulla

Seit nunmehr fünf Jahren ist Maik Machulla Chefcoach der SG Flensburg-Handewitt und blickt gewiss nicht auf die einfachste Saison zurück. Zwar kehrte nach den Corona-Lockdowns und vielen Beschränkungen inzwischen eine Normalität zurück, das Verletzungspech blieb der SG allerdings treu. Die Redaktion sprach mit dem Trainer.

Maik, zuletzt waren die Hallen wieder voll, und in der Rückrunde gab es keine kurzfristigen Spielausfälle. Kann man wieder von normalen Bedingungen sprechen?
Maik Machulla: Wir haben wieder Atmosphäre in den Hallen, aber jeder Verein kämpft noch ein Stück weit um seine Zuschauer. Es haben sich doch einige an Handball im Fernsehen und auf dem Sofa gewöhnt. Ich spüre aber, dass die Leute wieder vermehrt beim Bierchen mit anderen fachsimpeln wollen. Ab der kommenden Saison rechne ich da wieder mit Normalität – auch was unseren Spiel- und Trainingsbetrieb betrifft. Zuletzt waren wir doch noch hellhörig und reagierten mit Selbstisolation, wenn einer unserer Spieler Fieber oder andere Symptome gemeldet hatte.

Seit 2016 beendete die SG eine Bundesliga-Saison immer als Meister oder Vize. Dieses Mal hat es nicht ganz gereicht. Was sind die Gründe dafür?
Maik Machulla: Da sind so viele, dass alles gar nicht so einfach zu erklären ist. Die Erwartungshaltung an uns und auch unsere eigenen Ansprüche sind hoch. Da kommt schnell das Gefühl einer enttäuschenden Saison auf. Es gab aber sehr viele gute Leistungen – gerade angesichts der schwierigen Bedingungen, die sich uns von Anfang an stellten. Das Verletzungspech setzte sich fort, sodass unser Kader zu klein war für die große Zahl an Spielen. Die Verantwortung wurde auf zu wenige Schultern verteilt. Zudem war wegen der Olympischen Spiele praktisch kein Urlaub möglich. Zehn unserer Spieler gingen nach zehn Tagen Unterbrechung ohne große Vorbereitung in die neue Saison. Dieser Substanzverlust machte sich körperlich wie mental bemerkbar und zeigte sich gleich zu Beginn in nicht so guten Ergebnissen. Nur aufgrund unserer starken Abwehr und unserem Torwart-Duo konnten wir so lange in der Spitzengruppe mithalten. Es fehlte insgesamt die Konkurrenz-Situation, die man für eine Weiterentwicklung der Mannschaft braucht. Ganz zu schweigen von einem richtigen Training. Die Taktik konnten wir oft nur in der Theorie und nicht in der Praxis besprechen. Uns fehlten auch die Souveränität und der Killer-Instinkt früherer Jahre. Allein in der Bundesliga mussten wir uns sechs Mal mit einem Punkt begnügen, wo wir früher gewonnen hätten. Offenbar schwanden die Kraft und damit auch die Konzentration.

Gibt es eine Erklärung für das Verletzungspech?
Maik Machulla: Wir hatten wenige Muskel-Blessuren, was für unser Kraft-Training spricht. Stattdessen mussten wir langfristige und blöde Verletzungen verdauen. Unser Athletiktrainer Michael Döring und unser Medical Team suchen nach Ansatzpunkten für eine weitere Verbesserung. Allerdings können wir uns nicht vorwerfen, dass wir unsere Spieler nicht so geschützt haben, wie man es machen sollte. Franz Semper etwa bekam nach seinem Kreuzbandriss die empfohlenen neun bis zehn Monate Zeit, um eine erneute Ruptur zu verhindern. Sie ereignete sich dennoch.

Wer ist für dich der Spieler der Saison? In der Liga und im eigenen Team?
Maik Machulla: Johannes Golla hat vorne wie hinten eine dominante Rolle. Er wird von Jahr zu Jahr besser und entwickelt sich taktisch weiter. In der gesamten LIQUI MOLY HBL kann man nur Omar Ingi Magnusson nennen. Der Isländer wirft im Schnitt zehn Tore, auch wenn es mal eng wird. Ihm gehört die halbe Meisterschale der Magdeburger.

Gibt es Dinge, die dich in der letzten Serie besonders überrascht haben?
Maik Machulla: Einige Top-Vereine setzen immer mehr auf Angriffe mit sieben Feldspielern. Kiel, Paris oder Bukarest spielen manchmal 30 bis 60 Minuten mit dieser Variante. Das ist insofern überraschend, da viele Trainer-Kollegen diese taktische Möglichkeit nicht mögen, sie dann aber doch mit hohem Zeitaufwand einübten.

Die SG war 2018 und 2019 deutscher Meister. Davor waren die Rhein-Neckar Löwen zwei Mal an der Reihe, danach der THW Kiel und nun der SC Magdeburg. Spricht dieser häufige Wechsel an der Spitze für eine gesunde Liga?
Maik Machulla: Absolut, die Breite an der Spitze ist größer geworden. Vor einigen Jahren wurde der THW Kiel immer Meister, weil er die mit Abstand beste Mannschaft hatte. Nun verfügt er immer noch über den besten Kader, die meisten Zuschauer und den größten Etat und ist deshalb immer der Top-Favorit. Die Papierform reicht aber nicht. Mit einer guten Transferpolitik, einem gründlichen Scouting und einem stabilen Etat können andere Teams dagegenhalten. Wenn dann alles so läuft wie in den letzten Monaten bei den Magdeburgern, dann werden sie Meister.

Sprechen wir kurz über die EHF Champions League: Die SG hatte eine schwere Gruppenphase, erwischte dann ein starkes Achtelfinale und durfte sogar vom EHF FINAL 4 in Köln träumen. Wie fällt deine Bilanz aus?
Maik Machulla: In der Gruppenphase waren wir aufgrund unserer Probleme nicht wirklich konkurrenzfähig. So war relativ früh klar, dass die Begegnungen mit Porto, Bukarest und Zaporozhye besonders zählen würden. Es wäre sicherlich anders gelaufen, wenn wir im Oktober den Vorsprung in Porto gerettet und nicht durch einen finalen Siebenmeter verloren hätten. So hieß die Devise bei uns bald: Hauptsache durch – und im Achtelfinale mit einem kompletten Kader angreifen. Dann waren wir zahlenmäßig aber genauso begrenzt wie vorher. Dennoch schafften wir zwei starke Vorstellungen gegen Szeged, vor allem die Auswärtspartie zeigte Reife. Gegen Barcelona waren wir in den ersten zehn Minuten zu naiv – das war entscheidend. Mich ärgert immer noch, dass wir im letzten Frühling unsere gute Ausgangsposition nicht nutzten, um im Viertelfinale gegen Aalborg den Sprung zu schaffen. Dieses Mal waren wir letztendlich nicht gut genug für eine Teilnahme in Köln.

In der EHF Champions League seid ihr in der nächsten Saison nicht dabei. Dennoch wird Köln wieder ein Ziel sein. Wie findest du es, dass nun auch das Final Four um den DHB-Pokal in Köln ausgetragen wird?
Maik Machulla: Hamburg hatte natürlich eine Riesen-Tradition, Köln hat aber mit seiner großen Arena ein Alleinstellungsmerkmal in Deutschland. Wenn man ein Event noch weiter voranbringen will, bietet sich dieser Umzug an. Köln wird die Hauptstadt des Handballs.

Ein Blick voraus: Wie lange werdet ihr pausieren? Wann beginnt die Vorbereitung?
Maik Machulla: Wir werden erst am 24. Juli wieder anfangen. Erstmals seit Langem bot sich die Möglichkeit einer richtigen Sommerpause. Nach unserem letzten Spiel in Berlin fanden keine Länderspiele mehr statt, sondern es ging gleich in den Urlaub. Ich hoffe, dass alle ihre Akkus aufladen können und ich dann nach sechs Wochen 16 gesunde Spieler begrüßen kann.

Mit Lasse Svan und Hampus Wanne wurden zwei Spieler verabschiedet, die viele Jahre für die SG spielten. Inwieweit wird sich dadurch die Struktur der Mannschaft verändern?
Maik Machulla: Mannschaften haben eine Seele und eine Kultur, die die älteren an die jüngeren Spieler weitergeben. Lasse Svan und Hampus Wanne hatten diese Kultur verinnerlicht und nahmen auch schon mal junge Spieler an die Hand, wenn diese sich in eine falsche Richtung bewegten oder schnell integriert werden sollten. In der nächsten Saison stehen vom Meister-Team 2018 nur noch Jim Gottfridsson, Kevin Møller und Magnus Rød im Kader. Wir werden über klare Ziele und Umgangsformen sprechen müssen.