Richtungsänderungen

- Ein Portrait über Magnus Rød

Es ist viel passiert. Das kann Magnus Rød nur bestätigen, wenn er auf das letzte halbe Jahr zurückblickt. Gerade war der Linkshänder der SG Flensburg-Handewitt von den Olympischen Spielen zurückgekehrt, als ihn eine Verletzung stoppte. Inzwischen spielt er wieder – aber nur noch etwas mehr als eine Saison für die SG. Ab Sommer 2023 ruft Kolstad HK in der norwegischen Heimat.

Er kann wieder der Tätigkeit nachgehen, die ihm am liebsten ist: Handball. Anfang Februar stand Magnus Rød erstmals wieder im SG Dress auf dem Spielfeld und erfüllte beim 29:29-Remis in Wetzlar wichtige Defensivaufgaben. „Ich hätte natürlich lieber gewonnen“, sagte er hinterher. „Aber es war schön, der Mannschaft endlich wieder helfen zu können. Und das Wichtigste: Mein Knie fühlt sich gut an.“ Der Linkshänder konzentrierte sich zunächst nur auf die Abwehr, profitierte dabei von der eingespielten Abstimmung mit Johannes Golla. „Ich hatte bis dahin kaum für den Angriff trainieren können“, verrät Magnus Rød. „Außerdem gibt es in der Deckung weniger Richtungsänderungen, sodass ich alles besser steuern kann.“

Eine lange Geduldsprobe
Eine lange Geduldsprobe liegt hinter dem Norweger. Es war Anfang September – die Olympischen Spiele von Tokio waren gerade abgehakt – als das Rückraumass während des Aufwärmens vor dem letzten Testspiel nach einem Sprungwurf unglücklich auftrat. Das rechte Knie schmerzte. Die Diagnose: Anriss der Patellasehne. Eine konservative Behandlung erschien erfolgsversprechend. Mitte November stand Magnus Rød tatsächlich wieder zur Verfügung, spielte aber nur gegen die Rhein-Neckar Löwen und gegen Bukarest. Dann zwickte es wieder im Knie. Die Ärzte berieten sich, nun fiel die Entscheidung für eine Operation, die ein Spezialist in Oslo vornahm. „Der Eingriff dauerte nur 40 Minuten und ließ sich bei lokaler Betäubung ausführen“, erzählt der Handball-Profi. Dennoch war er sehr froh, dass er zunächst in Norwegen bei der Familie weilen konnte. Magnus Rød hatte durchaus existenzielle Sorgen. Wann ist ein Comeback denkbar? Wird das Knie überhaupt wieder richtig? „Es war eine schwierige Phase, ich konnte meiner Arbeit nicht nachgehen“, gewährt der Leistungssportler Einblick in seine Gemütslage. „Während die Jungs zu Auswärtsfahrten waren, wäre ich allein in der Wohnung gewesen.“

Seit Dezember nur ein Ziel: das Comeback
Ende Dezember kehrte er zurück nach Deutschland. „Ich wollte mich voll auf meine Reha konzentrieren – und das ging am besten in Flensburg“, wusste Magnus Rød. Silvester schaute er noch bei Kumpel Torbjørn Bergerud vorbei, ab dem 2. Januar sah man ihn ständig in der Flensburg Akademie oder im Förde Fitness. Ende Januar teilte er mit: „Ich fühle mich hundertprozentig fit, bin bereit und brauche nur noch etwas spezielles Handball-Training.“ Dieser Wunsch ließ sich nach der Rückkehr der vielen EM-Teilnehmer mühelos erfüllen. Damit hatte die SG ein schönes Luxus-Problem: Drei Linkshänder für den rechten Rückraum. „Das ist ja nun ganz anders als im Juni, als ich immer durchhalten musste“, erinnert sich Magnus Rød „Nun gibt es eine richtige Konkurrenz, und man muss um seine Spielanteile kämpfen.“

Gedanken an Norwegen
Im Gegensatz zu seinen Kollegen Franz Semper und Teitur Einarsson besitzt Magnus Rød allerdings keinen Vertrag bis 2024, sondern wird die SG eine Saison vorher verlassen. „Ich fühle mich sehr wohl“, betont der Norweger. „Aber bei diesem Angebot konnte ich nicht nein sagen.“ Die Rede ist vom norwegischen Newcomer-Projekt Kolstad HK, das Trondheim zum Hot Spot des internationalen Handballs machen will. Viele Topleute, darunter Magnus Rød, wechseln in den nächsten beiden Jahren in den Norden Norwegens und sollen den Kontrahenten Elverum distanzieren, um in die EHF Champions League vorzustoßen. „Als ich mit 20 Jahren meine Heimat verließ, hätte ich nicht gedacht, dass ich in den nächsten 15 Jahren in die norwegische Liga zurückkehren würde“, verrät Magnus Rød und erzählt das Beispiel von seinem jüngeren Bruder. Diesem waren als Hadballer in Oslo 100 Euro im Monat angeboten worden, was er ablehnte. Stattdessen nahm er ein Studium auf.

Familiäre Komponente
Für Magnus Rød hat der Wechsel zu Kolstad auch eine familiäre Komponente. In Trondheim und Umgebung lebt die komplette Verwandtschaft mütterlicherseits. Die Großeltern, Tante, Onkel, Cousins und Cousinen. Schon vor Jahren dachte der große und talentierte Handballer an ein Engagement bei Kolstad. Doch der Klub war gerade erst der norwegischen Zweitklassigkeit entwichen und längst noch nicht so kompetent. Dann klopfte die SG an. Aber bei der Europameisterschaft 2020 durfte Magnus Rød mit Norwegen die Vorrunde in Trondheim bestreiten. „Das waren Familienfeste“, erzählt er mit einem Lächeln. „Für mich schloss sich ein Kreis.“ Es war nämlich die Europameisterschaft 2008, die ihn neugierig auf den Handball gemacht hatte. „Als Zehnjähriger fieberte ich am Fernseher mit“, erinnert er sich. „Ich war von unserer Nationalmannschaft begeistert und wollte auch so spielen.“ Die Laufbahn kannte keine Zeitlupe. Nach nur drei Jahren gehörte Magnus Rød der Jugend-Auswahl des Landes an. Beim Sportklub Baekkelagets war er schnell ein Leistungsträger.

Anfänge in Flensburg
2017 kam er nach Flensburg und war mit einigen Umstellungen konfrontiert. Der junge Mann musste eine neue Sprache lernen, reiste plötzlich deutlich mehr für seinen Sport und hatte einen engen Terminplan zu meistern. Die geliebten Angel-Touren auf den Atlantik waren auf der Flensburger Förde ohne deutschen Angler-Schein nicht möglich. Das Maritime schätzt Magnus Rød aber auch in seiner Wahlheimat. Den Hafen etwa – oder die Strände. „Ich bin gerne in Wassersleben oder in Solitüde“, erzählt er. „Je nachdem, ob ich mehr oder weniger Platz für mich brauche.“ In den letzten Monaten pflegte er viele Kontakte eher digital und per Play-Station. Er hofft, das Flair von Flensburg bald wieder mehr genießen zu können. „Ich bin vorsichtig, da ich nicht wegen einer Corona-Infektion ausfallen möchte“, sagt der Profi. Gerne trifft er sich mit Gøran Søgard. Manchmal fahren sie über die Grenze und besuchen Torbjørn Bergerud. Im Januar nahmen sie Lasse Møller in ihre Gruppe auf und verfolgten das EM-Turnier. Der norwegischen Nationalmannschaft hatte Magnus Rød zuletzt zwei Mal absagen müssen. Eine Erfahrung, die er nicht wieder machen möchte. Er will Handball spielen.