„Nicht so viel denken“

- Das Interview der Woche

Mit gerade einmal 19 Jahren wechselte Hampus Wanne aus Schweden zur SG Flensburg-Handewitt. Inzwischen hat er sich zu einem der besten Flügelspieler der Welt entwickelt und setzt damit bei der SG eine besondere Linksaußen-Tradition fort, die einst Lars Christiansen und Anders Eggert begründeten. Die Redaktion sprach mit dem 27-Jährigen.

Hampus, drittbester Torschütze bei der Weltmeisterschaft und oft der beste Goalgetter bei der SG – du hast einen Lauf. Wie kommt man in einen solchen Flow?
Hampus Wanne: Eigentlich freue ich mich nur, dass wir spielen können. Es bringt einfach Spaß, für die SG und die schwedische Nationalmannschaft auflaufen zu dürfen. Die Art und Weise, wie die Außen eingebunden werden, kommt mir in beiden Teams entgegen. Zudem genieße ich das Vertrauen, auch aus einem kleinen Winkel werfen zu dürfen.

Die meisten Außenspieler fallen durch eine große Variabilität in ihren Würfen auf. Legst du im Training Extra-Einheiten ein?
Hampus Wanne: Ja, im Prinzip nach jedem Training. Ich werfe gar nicht so verschieden, vielmehr versuche ich, richtig zu werfen. Gerade unsere beiden Torhüter, die meine Wurfbilder genau kennen, zwingen mich dazu, mich kontinuierlich zu verbessern. Natürlich beschäftige ich mich auch mit den gegnerischen Torhütern. Aber ich stelle keinen Plan auf, wie ich zu werfen habe. Es ist besser, wenig zu denken und intuitiv zu entscheiden.

Du wirkst auf dem Spielfeld sehr cool. Wie ist dein Innenleben während der 60 Minuten wirklich?
Hampus Wanne: Viele Spieler sind beim Handball oder als Mensch völlig verschieden. Ich jubele kaum, da ich unbedingt gewinnen möchte und deshalb Kraft sparen muss. Ich fokussiere mich voll auf die Aufgabe. Natürlich bin ich angespannt. Aber das sehe ich positiv, denn sonst wäre es ein Signal, dass mir das Spiel nicht so wichtig wäre.

Im Sommer stehen die Olympischen Spiele auf dem Programm. Träumst du schon von Tokio?
Hampus Wanne: Im Moment denke ich nicht daran. Wir haben noch so viele Spiele mit der SG vor uns. Ich habe natürlich schon mal etwas gelesen über die Olympischen Spiele, aber ich weiß gar nicht, was mich erwarten wird. Ich war noch nie dabei, und Tokio wird wahrscheinlich auch anders als Rio 2016 sein. Für die ganze Welt wäre es gut, wenn die Olympischen Spiele stattfinden können und viele Menschen zumindest am Fernseher zuschauen können.

Bis Ende Juni steht die SG im Mittelpunkt: Glaubst du, dass die Saison regulär mit 38 Spielen beendet werden kann?
Hampus Wanne: Das kann ich unmöglich sagen. Ich hoffe es. Eines weiß ich: Wenn wir noch einmal in Quarantäne müssen, dann wird das Programm für uns Spieler nicht mehr gesund sein. 

Was ist mit der SG in dieser Saison möglich?
Hampus Wanne: Es ist einiges denkbar. Es war ein großes Ding für uns als Mannschaft aber auch für den Verein, dass wir in der EHF Champions League den Gruppensieg erreichten. Auch in der LIQUI MOLY HBL sind wir gut unterwegs. Aber gerade das Unentschieden zu Hause gegen Lemgo zeigt uns, dass wir von Spiel zu Spiel denken müssen und Schritt für Schritt gehen sollen.

Du warst ja mit der SG schon zwei Mal Meister. Denkst du gerne an 2018 und 2019 zurück?
Hampus Wanne: Natürlich. Außerdem weiß ich so, wofür man eine ganze Saison spielt, kämpft und reist. Es ist natürlich unglaublich schade, dass wir diese Saison wohl nicht mehr vor Zuschauern spielen werden. Aber vielleicht wäre unser Erfolg dieses Mal für die Fans sogar noch schöner, da so etwas Glück in die merkwürdige Phase kommen würde.

Wenn man mit dir spricht, kommt man an zwei legendäre Situationen nicht vorbei. In zwei Siebenmeterwerfen, einmal im Halbfinale der Champions League 2014, das andere Mal im Finale des DHB-Pokals 2015, durftest du als noch sehr junger Spieler den letzten Siebenmeter verwandeln. Wie oft blickst du auf diese beiden Ereignisse zurück?
Hampus Wanne: (schmunzelt) Ein bis zwei Mal pro Jahr werde ich wohl danach gefragt. Diese beiden Titel waren so etwas wie der Startschuss meiner Karriere. Gerade Köln 2014 war völlig unerwartet und ungeplant. In Hamburg, ein Jahr später, wusste ich besser, mit dieser Situation umzugehen. Deshalb verwandelte ich diesen Siebenmeter wohl auch sicherer.

Du stammst aus Göteborg, spieltest in deiner Jugend für Önnereds HK und Redbergslids HK. Dachtest du damals schon an eine große Handball-Karriere? Hattest du Vorbilder?
Hampus Wanne: Meine Vorbilder waren SG Legende Lars Christiansen und der unglaublich erfolgreiche Franzose Michael Guigou. Als ich für Redbergslids HK spielte, wusste ich, dass dieser Verein die Ausgangsstation für die Karrieren von Magnus Wislander, Stefan Lövgren oder Ljubomir Vranjes war. Ich hatte daher frühzeitig das Ziel, irgendwann nach Deutschland zu wechseln. Es war allerdings überraschend, dass dieser Sprung schon mit 19 kam. Plötzlich war ich in einer ganz anderen Welt. Zum ersten Mal lebte ich nicht mehr bei meinen Eltern, sondern in einem Land, dessen Sprache ich nicht konnte. Die ersten beiden Jahre waren schwierig. Zum Glück war meine Freundin Daniela damals mit nach Deutschland gekommen. Außerdem verstand ich mich auf Anhieb mit Bogdan Radivojevic und Jim Gottfridsson, die auch neu bei der SG waren. Hilfreich waren auch das skandinavische Gepräge der SG, Trainer Ljubomir Vranjes und Kapitän Tobias Karlsson.

Wann hat man eigentlich das beste Handball-Alter? 
Hampus Wanne: Das hängt von der Position ab, denke ich. Als Rückraumspieler dürfte man Anfang 30 auf dem Zenit stehen, wenn man von einer großen Erfahrung profitiert. Ein Außen hingegen lebt von der Schnelligkeit und der Explosivität. Ende 20 – so wie ich jetzt – dürfte das beste Alter sein. Es gibt natürlich Ausnahmen: Anders Eggert hat ein Handgelenk wie ein Gott, und Lasse Svan ist im Kopf noch unglaublich jung.

Du lebst in einer echten Handballer-Beziehung. Deine Freundin Daniela spielt im dänischen Horsens. Redet ihr zu Hause viel über Handball?
Hampus Wanne: Meine Freundin möchte immer viel über Handball sprechen, ich weniger. Handball nimmt in meinem Leben auch so genug Zeit ein. Aber es ist natürlich von Vorteil, dass wir beide wissen, wie der Profi-Handball tickt. Gerade wenn es Probleme in der Mannschaft gibt oder einer von uns beiden eine Verletzung hat, ist der andere ein guter Gesprächspartner, da wir beide solche Situationen kennen.

Schaust du denn trotzdem gerne ihre Spiele an?
Hampus Wanne: Bis zur Pandemie war ich häufiger mit nach Horsens gefahren, wenn es die Zeit erlaubte. Das war natürlich nicht möglich gewesen, als Daniela in Berlin oder Bietigheim gespielt hatte. Im Moment streame ich die Spiele.

Habt ihr einen gemeinsamen Traum?
Hampus Wanne: Irgendwann wollen wir ein schönes Haus in Göteborg besitzen. Aber das darf gerne noch ein paar Jahre dauern, denn jetzt zählt erst einmal der Handball.