Nackenschläge zum Weihnachtsfest

- 30 Jahre SG Flensburg-Handewitt, Folge 15

Der 16 Mann umfassende Kader der SG Flesburg-Handewitt barg in der Saison 2005/6 eine Kuriosität: Neben acht Dänen, drei Norwegern, drei Kroaten und einem Polen stand tatsächlich nur ein einziger Deutscher: Jan Holpert. Der Torwart schmunzelte. „Ich wollte schon immer mal im Ausland spielen – jetzt kann ich das sogar in meiner Heimatstadt.“

Das Team war weitgehend eingespielt und wurde um Alternativen bereichert. Etwa um Kreisläufer Michael Knudsen, an dem auch Barcelona, Kiel, Magdeburg und Gummersbach interessiert waren. Landsmann Kasper Nielsen wagte nach drei Jahren Abstinenz einen zweiten Anlauf bei der SG. Viel Kopfzerbrechen bereitete die Zweitbesetzung im rechten Rückraum. Letztendlich musste ein nicht sonderlich bekannter Kroate als Notlösung herhalten: Igor Kos. Die Kenner trauten der SG viel zu. Noch höher im Kurs stand allerdings der THW Kiel, der die letzten neun Derbys nicht gewinnen konnte. Dann hatten die „Zebras“ beim Super Cup in München und in der Auftaktrunde des DHB-Pokals die Nase vorn. Die SG verlor auch in Großwallstadt. „Der Schmusekurs ist vorbei“, sagte Geschäftsführer Thorsten Storm. „Wenn ich daran denke, was ich und andere im Umfeld auf die Beine stellen, um optimale Voraussetzungen zu schaffen, dann erwarte ich von der Mannschaft eine Gegenleistung.“

Christian Berge wieder im Team
Wesentlich besser präsentierte sich die SG am 24. September 2005: Sie stürzte den THW Kiel und etablierte sich einmal mehr in der Spitzengruppe. Im Dezember kehrte Christian Berge zurück, fand in Magdeburg fast nahtlos ins Team und erzielte beim 37:32-Erfolg zwei wichtige Tore. Fünf Tage später war es natürlich Christian Berge, dem in der „Hölle Nord“ die größten Emotionen entgegenschlugen. Als er nach gut 40 Minuten das Parkett betrat, spendierten die Zuschauer stehende Ovationen, die ganze Halle skandierte den Namen des Norwegers. Er steuerte fünf wichtige Treffer zum 43:40-Sieg über die SG Kronau-Östringen bei. Die Taktik des Gegners sorgte allerdings für einen Ritt auf der Rasierklinge. Die Badener versuchten das Tempo regelrecht „brennen“ zu lassen. Die Konsequenz: Müdigkeit. Und die war angesichts des engen Spielplans nicht aus den Beinen zu bekommen, zumal Johnny Jensen, Michael Knudsen und Dan Beutler an Blessuren laborierten oder kränkelten. Nur 48 Stunden später gastierte der VfL Gummersbach im hohen Norden. In der Schlussphase war der „Akku“ leer, der Gast gewann mit 34:32. Nach 39 Heimsiegen war eine stolze Serie gerissen. Und die SG kassierte einen weiteren Nackenschlag. Der THW Kiel demontierte Magdeburg mit 54:34 und setzte ein deutliches Signal im Meisterkampf.

Bis ins Halbfinale der Champions League
Auch im Viertelfinale der Champions League kam es zum sportlichen Vergleich der beiden schleswig-holsteinischen Spitzenteams. „Schön, dass die Flensburger Fans da sind“, bemerkte der Hallen-Moderator in der Ostseehalle. „Aber man darf sie doch nicht hören.“ Es waren nur die SG Schlachtenbummler, die etwas zu feiern hatten. Nach 52 Minuten hieß es sogar 29:21 für ihre Lieblinge. In nur drei schwachen Minuten büßte die SG die Hälfte des Vorsprungs ein. Im Rückspiel unerwartete Dramatik: Zwölf Sekunden vor Schluss lag die SG mit 31:34 zurück, dem THW fehlt nur noch ein Treffer. Sieben gegen fünf – alles sprach für die Gäste! Doch der letzte Pass flog ins Seitenaus. Unter dem Jubel der Fans markierte Lars Christiansen mit einem Distanzwurf den Endstand. Das Halbfinale war erreicht. Die SG dachte einmal mehr an ihre Fans und öffnete am Spieltag die Campushalle. Es gab Bier und Wurst – und auf einer 70 Quadratmeter großen Leinwand das Spiel in Ciudad Real. 2500 Fans strömten ins Rund. Die Begeisterung sank, als der spanische Meister zu einem 31:22-Erfolg marschierte. Das war eine zu große Hypothek für die zweite Partie.

Kurs auf Platz zwei
In der Bundesliga blieb die SG auf Erfolgskurs. Wilhelmshaven wurde mit einem 19:1-Lauf überrannt, während Jan Holpert in Wetzlar den letzten Siebenmeter parierte und so den Sieg rettete. Theoretisch war sogar noch die Meisterschaft drin. Doch das Landesderby am 29. April 2006 sprach Klartext angesichts eines 37:31-Erfolgs der Kieler. Die SG wollte zumindest das Bundesliga-Treppchen besteigen, um sich erneut für die Champions League zu qualifizieren. Neben dem VfL Gummersbach entpuppte sich der SC Magdeburg als ärgster Widersacher. Nicht nur auf dem Spielfeld, sondern auch im Kampf um das Personal. Die Beförderung von Co-Trainer Bogdan Wenta auf den Chefsessel der Bördeländer war bald beschlossene Sache. Marcin Lijewski blieb nach mehreren Gesprächen bei der SG. Auf dem Spiel feierten die Nordlichter gegen den SCM ein 40:30-Schützenfest.

Sonderzug nach Köln
Am 27. Mai 2006 beförderte ein Sonderzug 800 Passagiere an den Rhein. SG Fans mischten die mit 18.007 Zuschauern besetzte Kölnarena, wo der VfL Gummersbach residierte, auf. Die SG schnupperte in der Schlussphase wiederholt am Sieg. 50 Sekunden vor Ultimo spielte Marcin Lijewski den einlaufenden Glenn Solberg geschickt an. Den Gummersbachern half nur ein Foul. Den Siebenmeter verwandelte Lars Christiansen zum 31:30. Die Hausherren retteten noch einen Zähler. Die vorzeitige „Vize-Sause“ fiel aus. Am letzten Spieltag behauptete sich die SG mit 36:26 gegen Concordia Delitzsch und eroberte doch noch den zweiten Platz. Das sportliche Treiben geriet allerdings in den Hintergrund. Goran Sprem, Glenn Solberg, Bogdan Wenta und auch Christian Berge wurden verabschiedet.

Folge 16 am Freitag: Die Handball-Könige aus Schleswig-Holstein