„Mein Herz schlägt für die SG“

- Das Interview der Woche: Kevin Møller

Kevin Møller hält in seiner insgesamt sechsten Saison den Kasten der SG Flensburg-Handewitt sauber und bestritt vor Kurzem seinen 200. Einsatz. Vier weitere Jahre kündigen sich an. Der 33-Jährige unterschrieb vor wenigen Wochen einen Vertrag bis 2027. Die Redaktion sprach mit ihm über seinen Herzensverein, die dänische Nationalmannschaft und auch die deutsch-dänische Grenzregion.

Kevin, in deinem Vertrag steht als Laufzeit 2027. Du bist nun der Spieler, der sich am längsten an die SG gebunden hat. Ist dir das bewusst?
Kevin Møller: (lächelt) Nein, aber jetzt weiß ich es. Die Torhüter wachsen ja nicht einfach an den Bäumen, deshalb wohl diese lange Laufzeit. Für mich war es keine Frage, für so lange zu unterschreiben. Mein Herz schlägt für die SG.

2027 wirst du insgesamt zehn Jahre für die SG gespielt haben. Dann erreichst du Legenden-Status. War dieser ein Anreiz für dich?
Kevin Møller: Sicherlich nicht. Ich werde so lange spielen, wie mein Körper das höchste Niveau schaffen kann. Ich habe jetzt keine Zweifel, dass es bis 2027 in jedem Fall so sein wird. Zehn Jahre bei der SG – das wäre natürlich eine Riesenehre, aber kein Faktor für eine Vertragsverlängerung. Ich hörte mal, dass man mindestens 1500 Tore werfen muss, um eine Legende zu werden. Da muss ich mich ja schon sehr anstrengen, um überhaupt 20 zu erzielen. Kurzum: Ich möchte einfach die SG so lange wie möglich genießen, die Erfolge jagen und den Verein stolz machen.

Wie sieht eigentlich ein Vertragsgespräch aus? Sitzt man ein einziges Mal zusammen oder mehrere Wochen in mehreren Etappen?
Kevin Møller: Das Ganze lief in wenigen Wochen ab und war ganz ruhig. Wir haben uns mal zum Kaffee getroffen und alles besprochen. Dann war bereits klar: Die SG wollte mich weiterhin, und ich wollte die SG. Dann führte mein Berater die Gespräche fort. Ich wollte mich mit nichts anderem beschäftigen als mit Handball.

Gab es noch andere Angebote?
Kevin Møller: Es waren ein paar Anfragen dabei – auch aus Dänemark. Aber nichts, was sich mit der SG vergleichen lässt.

Was zeichnet die SG denn aus?
Kevin Møller: Das ist ja schwer zu beantworten, wenn man so einen blau-weiß-roten Blick hat wie ich. Die Stimmung in der Mannschaft, der Kontakt zu den Fans und das Zusammengehörigkeitsgefühl im Verein sind gewiss etwas Besonderes. Deshalb sprechen wir auch von der SG Familie. Man kämpft nicht nur für sich, sondern gibt auch immer 110 Prozent für den Nebenmann.

Zunächst der Fan, dann der junge Torwart und schließlich der gereifte Torwart – deine Erlebnisse mit der SG kann man in drei Kapitel untergliedern. Oder siehst du das anders?
Kevin Møller: Das kann man so machen, aber Fan bin ich immer noch. Es ist wirklich so, dass ich schon SG Spiele in der Fördehalle sah und auch in der FLENS-ARENA, als diese noch Campushalle hieß. Ein bis zwei Mal im Monat fuhr ich mit meiner Familie nach Flensburg. Das war ein typisch dänischer Besuch mit Stadtrundgang, Essen und Handball. Meine ersten Lieblingsspieler waren übrigens Igor Lavrov und Thomas Knorr. Die müssen damals wohl sehr gut gewesen sein. Interessant fand ich natürlich auch die beiden Torhüter Søren Haagen und Jan Holpert. Und auch die anderen Dänen wie Lars Christiansen, Christian Hjermind und Jan Eiberg Jørgensen. Beeindruckt hatte mich eine Aktion, als fast alle Zuschauer in der Fördehalle einen SG Schal hochhielten. Danach nervte ich meinen Vater, da ich auch solch einen Schal wollte.

Du bist in Løgumkloster geboren, in Bedstedt aufgewachsen und spieltest in der Jugend für Tinglev. Alle Orte liegen gleich hinter der Grenze. Wie hast du als junger Mensch die Grenzregion erlebt?
Kevin Møller: In Løgumkloster und auch in Tondern gab es damals kleine, deutsche Handballvereine. Die Spieler unterhielten sich untereinander auf Deutsch, was mich damals überraschte. So etwas gibt es heute nicht mehr, da die Vereine zusammengelegt und die besten Spieler zu den besten Mannschaften wechseln. An der Grenze mussten wir unsere Pässe zeigen. Und es gab so interessante Begebenheiten wie ein Haus, dass mit der einen Hälfte in Dänemark und mit der anderen in Deutschland stand. Es gab viele Besonderheiten in Süddänemark. Heutzutage ist alles internationaler geworden.

Warum bist du eigentlich auf Fünen, bei GOG Gudme, in die Talentschmiede gegangen und nicht nach Flensburg?
Kevin Møller: Ich war eigentlich kein Riesentalent und spielte Handball nur, weil es mir Spaß brachte. Auch die Sportschule in Løgumkloster war im Gespräch. Aber dann hätte ich das Fahrrad nehmen können, um mit meinen Eltern zu essen. Ich wollte schon etwas weiter weg. Das Internat von GOG hatte einen guten Ruf. Ich fuhr weniger nach Hause und habe diesen Schritt nie bereut.

Wie blickst du auf deine erste Zeit bei der SG zurück, auf die Zeit von 2014 bis 2018?
Kevin Møller: Damals war ich ein junges Talent und befand mich im Entwicklungsprozess. Ich wusste noch nicht, was von mir erwartet wird, um ein Top-Torwart zu werden. In den vier Jahren hatte ich schon einiges gelernt. Und jetzt gehöre ich zur alten Garde und kann hoffentlich den jungen Spielern, die richtige Richtung zeigen.

Nach vier Jahren bei der SG folgten drei Jahre beim FC Barcelona?
Kevin Møller: Ich verließ meinen Herzensverein. Auf der anderen Seite erwartete mich eine sehr interessante Möglichkeit, die man nicht so oft in einer Karriere bekommt. Bei Barca dominiert eine Mentalität, bei der nur die Titel zählen. In der Mannschaft mochten wir uns, es herrschte aber ein anderer Teamgeist als bei der SG.

Eine andere Frage: Wo siehst du bei dir als Torwart noch Verbesserungspotenzial?
Kevin Møller: Ich kann mich überall noch verbessern. Mir bringt es Spaß, weiter an mir zu arbeiten. Ich gehe immer gerne zum Training. In der Zukunft werde ich vielleicht nicht mehr so impulsiv sein, dann muss ich mich in anderen Bereichen steigern.

Blicken wir kurz zur dänischen Nationalmannschaft. Wie war der letzte Lehrgang und wie geht es weiter?
Kevin Møller: Es tut immer gut, eine andere Luft einzuatmen und andere Freunde zu treffen. Es ist fast wie im Urlaub. Eine solche Woche ist zwar auch anstrengend, doch man tankt Energie. Der Blick richtet sich nun auf die Weltmeisterschaft. Hoffentlich bin ich dabei. Ich habe das Gefühl, dass wir auf einer der Top-Positionen landen sollten. Alles andere wäre eine Enttäuschung. Allerdings stellten wir auch fest, dass Spanien und Schweden stark sind. Ein schlechter Tag – und alles kann in einer Enttäuschung enden.

Was machst du, wenn du nicht im Tor stehst oder trainierst?
Kevin Møller: Dann entspanne ich zu Hause mit Freundin und Tochter. Unsere Kleine ist jetzt gut ein Jahr alt und läuft viel. Ich bin daher viel damit beschäftigt, sie einzufangen und zu Hause aufzuräumen. Wenn ich nicht mit der Vorbereitung auf ein Spiel beschäftigt bin, dann bin ich zu 100 Prozent Familienmensch. Manchmal fahre ich in die Stadt zu einem Café – mit Teamkameraden oder Familienmitgliedern, die in Løgumkloster, Tinglev oder Sønderborg leben.