Mehr als nur eine Zahl

- Das Geheimnis der Rückennummern

Im Grunde sind es nur ein oder zwei Ziffern, die das Trikot zieren. Doch spätestens als im Laufe der 90er Jahre die Vergabe der Rückennummern bis zur 99 ermöglicht wurde, entdeckten viele Sportler ein neues Ritual, das Persönlichkeit, Vorlieben oder sogar Aberglaube bedient. Die Redaktion hat sich bei den Handballern der SG Flensburg-Handewitt umgehört.

Es gibt die total Unkomplizierten. Zu denen zählt gewiss Simon Hald. Der Kreisläufer nahm die Fünf, weil sie gerade frei war. Im dänischen Nationalteam trägt er die 34. „Ich bin niemand anderes, wenn ich mit einer anderen Nummer spielen müsste“, meint er, um dann doch zu ergänzen: „Wenn ich selbst die Wahl hätte, dann hätte ich die 18 genommen.“ Die hätte Simon Hald vermutlich sogar bekommen können, als er im Sommer 2018 zur SG wechselte. Denn Magnus Jøndal hatte eigentlich – wie in der Nationalmannschaft – die 17 im Visier, die damals allerdings Simon Jeppsson besetzte. Also wurde es die 18. „Das ist nur eine Nummer, sie bedeutet mir nichts“, sagt der Linksaußen lapidar. Wenn es nur immer so einfach wäre.

Die Torhüter
Schon bei den Torhütern lief nicht alles nach Wunsch. Benjamin Buric war mit der Zwölf groß geworden, hat sie immer noch auf seinem bosnischen Nationaldress stehen. Doch bei der SG gibt es Legenden, zu denen auch Jan Holpert zählt. Er trug 14 Jahre lang die Zwölf, Benjamin Buric nahm dann die klassische Torwart-Nummer: die Eins. Zumindest machte Kollege Torbjørn Bergerud keine Probleme. „Ich hatte nie die Eins“, schmunzelt der Norweger. „Als Junge wollte ich nicht einfach einen Strich auf dem Rücken haben, sondern eine richtige Nummer.“ In seinem norwegischen Nationalteam und auch in Holstebro lief er bereits mit der 30 auf.

Probleme mit der 17 und der 8
Manch einer machte sich mehr Gedanken um seine Rückennummer – zum Teil zwangsläufig. Lasse Svan hatte bei GOG die Zehn getragen, doch als er zur SG kam, hatte die sich schon Thomas Mogensen geschnappt. Und die 17 wie im Danebrog-Team ging auch nicht, denn die gehörte damals Ljubomir Vranjes. So wurde es bei der SG die Elf – und Lasse Svan war zufrieden. „Ich finde, beide Nummern passen gut zu mir und meiner Karriere“, sagt der Kapitän. Schwer tat sich zunächst auch Johannes Golla. Bei der MT Melsungen hatte er die Acht getragen. „Mir wurde ganz schnell klargemacht, dass die Acht für die Zuschauer reserviert ist“, schmunzelt der Kreisläufer. Und als er daran dachte, wie einst sein Vater die Drei zu nehmen, lief ihm Tobias Karlsson über den Weg. Da es einstellig sein sollte, wurde es also die Vier. „Als unser Trainer Maik Machulla davon hörte, kam er gleich zu mir“, erzählt Johannes Golla. „Er sprach von einer großen Ehre, da er bis dahin der letzte war, der mit der Vier bei der SG gespielt hatte.“ Der Kreisläufer gewöhnte sich so gut an diese Ziffer, dass er sie auch in der DHB-Auswahl nahm. Übrigens: Die Acht war bis zur Jahrtausendwende auch bei der SG in Gebrauch. Maik Makowka musste dann zur 18 wechseln, als das Ritual der „Achte Mann“ eingeführt wurde.

Idole aus Handball, Basketball und Fußball
Im Kreis der SG gibt es auch einige, die sich von sportlichen Vorbildern inspirieren ließen. Marius Steinhauser war schon lange vom sprungstarken Rechtsaußen Luc Abalo beeindruckt und wollte auch die 19. „Inzwischen ist daraus ein Glücksbringer geworden, da am 19. eines Monats schon viele Dinge passiert sind, die ich mit meiner Frau verbinde“, verrät der SG Akteur. Gøran Søgard ließ sich vom Fußballer David Beckham und vom Basketballer Michael Jordan leiten. Die 23 trägt der Norweger auch in der Nationalmannschaft und bekennt: „Mit einer anderen Nummer fühle ich mich nicht wohl.“

Die Treuen
Gøran Søgard und auch andere SG Profis entwickelten eine große Treue zu ihren Rückennummern. Hampus Wanne hatte irgendwann in der Jugend – er weiß gar nicht mehr wann – die 14 erhalten. Im schwedischen Drei-Kronen-Team ist es die 15. „Das will ich ändern, mit der 14 fühle ich mich einfach besser“, gibt der Linksaußen zu. Auch Mads Mensah trug bereits in der Jugend-Nationalmannschaft und bei sämtlichen Vereinen die 22. Welche Rückennummer er wohl genommen hätte, wenn Anders Zachariassen nicht die SG verlassen und die 22 freigemacht hätte? Wechseln wollen die meisten Handballer nur ungern. Nur ganz wenige wagten diesen Schritt bislang in ihrer SG Zeit. Das bekannteste Beispiel ist Christan Berge. Der norwegische Spielmacher glänzte zunächst mit der Neun, doch nach seiner Krebserkrankung wollte er neu durchstarten – mit der 24.

Die Legenden
Was immer wieder für leichte Irritationen bei den Neuzugängen sorgt: Nicht alle Rückennummern sind frei verfügbar. Die Zuschauer-Acht ist gesperrt. Und unter dem Hallendach hängen die sechs Trikots der SG Legenden, die ihre persönlichen Ziffern mit auf den weiteren Lebensweg nahmen. Tobias Karlsson (3), Anders Eggert (7), Thomas Mogensen (10), Jan Holpert (12) und Lars Christiansen (15) besitzen inzwischen geschützte Unikate. Jacob Heinl ist nach seiner Rückkehr aus Dänemark sogar noch selbst mit der 21 im Einsatz. Die hatte er 2007 erhalten, weil die bis dahin angestammte Fünf durch Kasper Nielsen besetzt war. Einmal war bei den Legenden-Nummern nicht aufgepasst worden. 2007 kam der bullige Keeper Dane Sijan als Nachfolger von Jan Holpert zur SG und trug die Zwölf. Glück brachte dieser „Schnitzer“ nicht. Nach nur einer Saison verließ der Serbe wieder die SG. Seither wird das „Legenden-Gesetz“ penibel beachtet. So konnte Franz Semper die Drei nicht bekommen und musste auf die 32 ausweichen – wie in der DHB-Auswahl. Und Magnus Rød biss sich an der „Eggert-Sieben“ die Zähne aus. Die 77 klappte, weil der prominente Vorgänger Michael Knudsen knapp den Legenden-Status verpasste.

Die Berechnenden
Manch einer ließ mathematische oder andere Erkenntnisse einfließen, um zu seiner Rückennummer zu gelangen. Jim Gottfridsson trug als Junge die Sieben auf dem Trikot von IFK Ystad, ehe ihm beim Übergang zu den Männern die Zwei verpasst wurde. Beim nächsten Klub, dem Lokalrivalen Ystads IF, waren sowohl die Zwei als auch die Dopplung 22 besetzt. Also rechnete Jim Gottfridsson: 22 plus zwei ist 24. „Diese Nummer passt zu mir, auch wenn die Sieben weiterhin meine Glückszahl ist“, erzählt der Schwede. Auch bei Domen Sikosek Pelko war es nicht ganz so einfach. Er hatte fast immer die 18, aber die hat bei der SG Magnus Jøndal. In Skopje hatte er die 14 getragen. „Keine gute Zahl, meinte eine Freundin meiner Mutter“, so der slowenische Handballer, der einen gewissen Aberglauben pflegt. Also telefonierte er kurz nach Slowenien, um sich die 33 „bestätigen“ zu lassen. Ein schönes Prinzip wählte Lasse Møller: die Familie. Sein Vater, einst Keeper bei GOG, hatte die klassische Keeper-Nummer 16. Sein Bruder, ein Linksaußen, traf mit der 32. Daher ließ sich Lasse Møller die 64 reservieren. „Meine Schwester hat übrigens die Acht bekommen, denn 128 geht ja nicht, dreistellige Nummern sind ja nicht zugelassen“, schmunzelt der große Däne.