Lust, Ruhe und Leidenschaft

- Interview mit SG Kapitän Lasse Svan

Die Dunkelheit ist über Flensburg hereingebrochen. Das Abend-Training der SG Flensburg-Handewitt ist gerade beendet. Nach und nach verlassen die Spieler die Duburghalle. Lasse Svan sitzt noch im spärlich beleuchteten Eingangsbereich. In einem Interview spricht der 37-Jährige über Familie, Erfolg, Mental-Coaching und das Kapitänsamt.

Heute hattet ihr Training bis in den Abend hinein, oft trainiert ihr vormittags. Was ist dir lieber? Oder kann man dich nachts wecken und du würdest dein Pensum trotzdem abspulen?
Lasse Svan: Nein, das dann doch nicht. Ich sehe bei beiden Möglichkeiten Vorteile. Wenn wir schon vormittags in der Duburghalle sind, bleibt uns mehr Zeit für unsere Familien. Körperlich passt es bei mir allerdings um 16.30 Uhr besser, da ich dann besser in Schwung bin. Gerade beim Abschluss-Training vor den Spielen ist es sinnvoll, dass wir erst gegen Abend trainieren. So sind wir besser im Rhythmus und müssen nicht anderthalb Tage auf die Partie warten. Außerdem können unsere Trainer den Vormittag noch zur Vorbereitung nutzen.

Im November waren zwei Spiele ausgefallen, obwohl ihr euch auf den jeweiligen Gegner intensiv vorbereitet hattet. Ärgert man sich in solchen Situationen?
Lasse Svan: Ja, auf jeden Fall. Wir wollten spielen, waren gut vorbereitet und voller Selbstvertrauen. Während wir die Disziplin und das Glück hatten, bislang ohne positiven Corona-Test durch die Saison gekommen zu sein, haben es andere Teams nicht geschafft. Das sind Dinge, die wir nicht selbst beeinflussen können. Aber wir wollen es positiv sehen: Einigen Spielern hat die längere Pause sicherlich gut getan. Gespannt bin ich, wie eng der Terminplan wird, wenn die ausgefallenen Spiele irgendwann nachgeholt werden.

Wie beginnt bei dir ein normaler Tag?
Lasse Svan: Der beginnt mit meinen beiden Kindern. Ich frühstücke mit ihnen und bringe sie zum Kindergarten. Wenn wir vormittags Training haben, kann ich mittags noch etwas essen und hole die beiden Kleinen dann wieder ab. Meiner Frau und mir ist es bewusst, dass wir privilegiert sind und viel Zeit mit unseren Kindern verbringen können, die wiederum in einem Alter sind, in dem sie viel mit ihren Eltern unternehmen wollen. Wenn meine Frau und ich frei haben, lassen wir unsere Kinder auch mal zu Hause. Sie sind ja noch nicht im schulpflichtigen Alter.

Ist die Familie ein Garant für den Erfolg?
Lasse Svan: Ja, denn ich bekomme Unterstützung und genieße Verständnis, für das, was ich mache. Auch wenn ich mehrere Wochen mit der Nationalmannschaft unterwegs bin, muss ich mir nie Sorgen machen. Auch als wir uns für Kinder entschieden hatten, gab es Rückendeckung von meiner Frau. Wenn ich nun nach Hause komme, treffe ich auf zwei lachende Kinder, die noch keine Ahnung von Niederlagen und Siegen haben. Durch den Nachwuchs ist meine innere Ruhe gewachsen. Kurzum: Ich habe der Familie viel zu verdanken.

Olympiasieg, Weltmeister, Europameister, Champions League, deutsche Meisterschaft und Pokal – du hast jeden großen Titel zumindest einmal gewonnen. Wie wird man so erfolgreich? Und woher ziehst du die Energie, weiterhin Titeln hinterherzujagen, die du schon alle gewonnen hast?
Lasse Svan: Du brauchst sehr gute Mannschaftskollegen, denn allein kann man im Handball nichts gewinnen. Das ist so in der dänischen Nationalmannschaft, die traditionell immer einige der besten Handballer der Welt aufbieten kann. Und die SG ist seit Jahren ein Verein mit großen Ambitionen und hohen Ansprüchen. Natürlich muss man viel Arbeit investieren und braucht den Glauben, dass man es schaffen kann. Ich hatte auch stets die Lust, mich zu verbessern. Auch mit 30 oder 32 Jahren war ich nicht mit dem erreichten Niveau zufrieden, sondern sah immer noch Potenzial. Der Handball entwickelt sich so explosiv und kreativ, dass andere vorbeiziehen, wenn man nicht mehr bereit ist, Neues zu lernen. Und da sind wir wieder bei den Mannschaftskollegen, die ebenso Lust und Willen benötigen, damit man als Team an der Spitze bleibt.

Du bist auch Mental-Coach. Bringst du deine Erkenntnisse mit ein ins Handball-Geschehen?
Lasse Svan: Dadurch kenne ich mich vor allem selbst viel besser und behalte deshalb die Ruhe. Ich weiß, was ich gut kann und wo ich mich verbessern muss. Diese Gewissheit ist wichtig. Sonst läuft man blind mit den Armen über den Kopf herum und freut sich, wenn es gut gegangen ist. Noch wichtiger ist es zu wissen, wie man aus einem Tief herauskommt. Denn ein solches Tief erlebt jeder Leistungssportler irgendwann. Es zu verkürzen kann letztendlich der Unterschied sein, ob man das höchste Niveau erreicht oder es nur für die Zweitklassigkeit langt.

Hattest du einen speziellen Ansatzpunkt, dich mit mentalem Coaching zu beschäftigen?
Lasse Svan: Als ich noch für GOG spielte, traf ich mich mit einem Mental-Coach. Da lernte ich nicht so viel über Handball, aber umso mehr, wie ich mich auf dem Spielfeld und außerhalb verhalte. Das hat mir sehr geholfen. Ich war bereits bei der SG – es wird von 2011 bis 2013 gewesen sein –, da machte ich beim selben Mental-Coach eine Ausbildung. Derzeit habe ich drei eigene Klienten: ein Golfer, ein Fußballer und ein Handballer. Alles Dänen, auf Deutsch habe ich es noch nicht probiert. Wir sprechen online ein bis zwei Mal im Monat. Wenn mein Schwerpunkt nicht mehr der Handball sein wird, möchte ich intensiver als Mental-Coach arbeiten.

Und wie ist es in der Mannschaft. Benutzt du als Kapitän auch mal die mentale Schiene?
Lasse Svan: Ich muss mich nicht in den Vordergrund drängen, dass ich etwas besser weiß. Die Jungs sind mental so gut, im Prinzip alles selbst lösen zu können. Wenn jemand fragt, gebe ich natürlich Tipps. Und wenn mir etwas auffällt, kann ich nicht so einfach vorbeigehen.

Maik Machulla sagte mal, dass du als Kapitän sehr viel Wert auf Harmonie im Team legst. Hat er recht?
Lasse Svan: Ich bin davon überzeugt, dass Harmonie in der Truppe den Willen verstärkt, aneinander zu helfen. Das heißt nicht, dass man sich ständig umarmen oder sehr viel Zeit miteinander verbringen muss. Aber wenn man an einem Strang zieht, kann man Dinge leichter verbessern. Es ist doch so: Wenn ich mich wohlfühle und Spaß habe, spiele ich automatisch besser. Wenn alles eine zu große Ernsthaftigkeit bekommt, wird man irgendwann müde oder sogar verrückt.

Wie hast du Tobias Karlsson als Kapitän erlebt? Habt ihr euch mal über dieses Amt ausgetauscht?
Lasse Svan: Gerade im letzten Jahr tauschten wir uns häufiger aus. Schließlich hat er so große Erfahrungen. Manchmal wurde seine Rolle unterschätzt, aber Tobias Karlsson war der beste Kapitän, den dieser Verein jemals hatte. Für ihn war es der natürliche Schritt, nach vorne zu gehen und den Weg zu zeigen. Ich hatte immer das Gefühl, dass er alles im Griff hatte – nicht nur auf dem Spielfeld, sondern auch außerhalb. Dadurch bekamen wir das Gefühl, auch alles im Griff zu haben. Auf dem Spielfeld war Tobias die zentrale Figur in der Abwehr und konnte auch dort klare Ansagen machen. Da muss ich mich zurückhalten, da verfügen andere Leute über mehr Ahnung als ich. In unserer Mannschaft sind die Spitzenkompetenzen verteilt.

Gibt es noch etwas, womit du dich neben Familie, Handball und Mental-Coaching beschäftigst?
Lasse Svan: Im Sommer spiele ich gerne Golf, um abzuschalten. In Corona-Zeiten, in denen die Cafés geschlossen haben, muss auch mal die Play-Station herhalten. Manchmal gibt es Fernduelle mit Anders Zachariassen, Rasmus Lauge und Kevin Møller.

Wie erlebst du den derzeitigen Alltag mit den Corona-Beschränkungen?
Lasse Svan: Wir beschäftigen uns natürlich damit, da wir ja davon jeden Tag hören. Ich kann nur schlecht abschätzen, ob die Lage besser oder schlechter wird, da es ständig neue Nachrichten gibt. Wir richten daher den Fokus darauf, was wir beeinflussen können – und das ist der Handball. Diese mentale Herausforderung haben wir bislang gut gelöst. Um die Corona-Aspekte kümmern sich Geschäftsstelle und Trainer. Wir Spieler vertrauen darauf, dass die richtigen Entscheidungen getroffen werden.

Gibt es noch einen großen Traum, den du dir in deinem Leben erfüllen willst?
Lasse Svan: Mit Anders Eggert habe ich mich vor einiger Zeit darauf geeinigt, dass wir nach unserem Karriereende in die USA fliegen werden und zwei Wochen lang Sport schauen wollen. Wir interessieren uns beide sehr für die NFL und die NBA. Auch Baseball und Eishockey dürfen nicht fehlen. Es soll eine kleine Tour durch die Staaten werden, nur wir beide. Ich hoffe, man kann wieder reisen und die ganze Welt besuchen, wenn wir unser Handball-Kapitel schließen.