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- Das Interview der Woche: Kent Robin Tønnesen

„In Flensburg ist es familiär“

Kent Robin Tønnesen bringt viel Erfahrung mit und kann auf eine eindrucksvolle Europa-Tournee zurückblicken. Der 34-Jährige spielte in Norwegen, Schweden, Ungarn, Frankreich und vier Jahre in der Bundesliga. Seit Sommer ist er einer der beiden Rückraum-Linkshänder bei der SG Flensburg-Handewitt.

Kent Robin, die Anrede mit zwei Vornamen ist doch richtig? Oder wie nennen dich die Mannschaftskollegen?
Kent Robin Tønnesen: Das ist sehr unterschiedlich. Kent Robin ist offiziell. In der Mannschaft nennt man mich Kent oder Kenny. In Norwegen wird aus den beiden Vornamen zusammen oft ein Kentr.

Also Kent, wie waren die ersten Wochen in neuer Umgebung? Hast du dich in Flensburg gut eingelebt?
Kent Robin Tønnesen: Es gefällt uns sehr gut. Ich war noch nicht so oft in Flensburg, da wir in Handewitt wohnen. Unsere Tochter geht dort zur dänischen Schule. Wir gehen oft den Weg gemeinsam. Die dänische Schule ist direkt an der Wikinghalle, wo ich in der Vorbereitung einmal für die SG gespielt habe. Eine Umstellung war für mich die Sprache. Deutsch hatte ich acht Jahre lang fast gar nicht gesprochen.

Was machst du gerne in deiner Freizeit?
Kent Robin Tønnesen: Normalerweise unternehme ich etwas mit meiner Frau und unserer Tochter. Wenn dann noch Zeit ist, spiele ich gerne Golf. Ich war bislang zwei Mal auf dem Platz in Glücksburg, der sehr herrlich am Meer liegt. Das eine Mal war die gesamte Mannschaft mit vielen Sponsoren dort. Ich musste mich wegen einer Muskel-Verletzung etwas zurückhalten. Das andere Mal habe ich mit Emil, Lukas und Aksel gespielt. Es war eine dänisch-norwegische Kombination, und es war besonders schön, mit Aksel Norwegisch zu sprechen. Golf ist ein schöner Ausgleich zum Handball. Ich drehe gerne mit Freunden eine Runde. Ich müsste aber mehr spielen, um mein Handicap von 28 zu verbessern.

Unabhängig vom Ergebnis: Wie war es, Anfang September zum ersten Mal in der „Hölle Nord“ einzulaufen?
Kent Robin Tønnesen: Es war ein tolles Erlebnis, in Flensburg für Flensburg zu spielen. Nach dem Abpfiff war ich enttäuscht, dass es gegen Stuttgart nicht für zwei Punkte gelangt hat – aber das Erlebnis „Hölle Nord“ war schon cool. Vom Publikum kommt eine große Unterstützung. Sogar auswärts sind viele Fans dabei.

Wie oft hattest du vorher schon in der „Hölle Nord“ gegen die SG gespielt? Und an welche Begegnung erinnerst du dich am liebsten?
Kent Robin Tønnesen: Das kann ich gar nicht so genau sagen, da kommt schon eine gewisse Zahl zusammen. Ich erinnere mich an ein packendes Spiel mit den Füchsen. Das endete mit einem Unentschieden. Mit Veszprém habe ich sogar mal mit vier oder fünf Toren in Flensburg gewonnen. Das war 2019 im Viertelfinale der EHF Champions League. Mit Pick Szeged hat es zwei Jahre später nicht ganz gereicht.

Du bist gar nicht in Norwegen geboren, sondern in Schweden. Wie ist es dazu gekommen?
Kent Robin Tønnesen: Mein Vater ist Schwede und meine Mutter Norwegerin. Ich bin zwar in Partille bei Göteborg geboren, aber wir sind schnell nach Norwegen gezogen. Ich bin in Lilleström aufgewachsen, einer Stadt in der Nähe von Oslo.

Sprichst du auch schwedisch in Perfektion?
Kent Robin Tønnesen: Ja, das würde ich schon sagen. Ein Jahr habe ich als Profi in Göteborg gelebt. Ich habe mein ganzes Leben Schwedisch gehört, da mein Vater immer Schwedisch mit mir spricht. Ich antworte ihm übrigens immer auf Norwegisch.

Und wie bist du zum Handball gekommen?
Kent Robin Tønnesen: Das war wegen meinen beiden älteren Brüder, die beide Handball spielten. Ich war schon früh in der Halle und fing mit sechs Jahren an. Meine Brüder waren meine Vorbilder, ich wollte unbedingt besser werden als sie. Sie waren beide größer als ich, Rechtshänder und Kreisläufer. Sie schafften es in die erste norwegische Liga. Unser Stammklub Fjellhammer hatte eine sehr gute Jugendarbeit. Ich wechselte schließlich für drei Jahre zu Haslum, einem größeren Klub in der Nähe von Oslo.

Deine Vita zeigt als erste Station außerhalb von Norwegen den IK Sävehof an. Schweden hast du wahrscheinlich gar nicht als Auslandsstation wahrgenommen?
Kent Robin Tønnesen: Ich war 21 Jahre alt, und das erste Mal von zu Hause weg. Das war die größte Umstellung, nicht die Sprache. Göteborg ist eine schöne Stadt, sportlich war es ein wichtiger Schritt, und ich habe dort gute Freunde kennengelernt, mit denen ich immer noch Kontakt habe.

Wetzlar war dann 2013 sicherlich ein ganz neues Kapitel…
Kent Robin Tønnesen: Ich war keine zwei Wochen in Wetzlar, da kam das Gerücht auf, dass Ivano Balic zu uns wechseln würde. Er kam tatsächlich. Mit diesem genialen Spielmacher lernte ich Handball so richtig. Trainer Kai Wandschneider schenkte mir ein großes Vertrauen. Weniger gut klappte es mit der deutschen Sprache. Wir waren dort zehn oder elf ausländische Spieler, sodass wir sehr viel Englisch miteinander sprachen. Es dauerte daher etwas, bis ich Deutsch konnte. Nach einem Jahr nahm ich mir vor, Deutsch systematisch zu lernen.

Füchse Berlin war sicherlich eine ganz andere Erfahrung?
Kent Robin Tønnesen: Das ist eine Stadt mit viel Leben. Meine Frau und ich waren da zunächst noch allein, unsere Tochter wurde erst am Ende der Zeit in Berlin geboren. Wir wohnten auf dem Prenzlauer Berg – nicht weit zur Füchse-Town und der Max-Schmeling-Halle. Die Füchse sind ein Top-Team, es herrschte ein ganz anderer Druck als in Wetzlar.

Wie kam es dazu, dass du 2017 nach Ungarn gewechselt bist?
Kent Robin Tønnesen: Veszprém wollte mich haben. Mich interessierte die EHF Champions League ganz besonders. Es war das große Ziel von Veszprém, diese zu gewinnen. Gedanken habe ich mir gemacht, wie das Leben in Ungarn sein würde. Ich war positiv überrascht. Am Balaton ist es sehr schön – gerade für eine Familie. Die EHF Champions League haben wir nicht ganz gewonnen, 2019 standen wir im Finale gegen Skopje. Wir gewannen aber mehrere Titel in Ungarn.

Manche sagen, in Veszprém ist die Atmosphäre besonders heiß…
Kent Robin Tønnesen: Das ist ein Hexenkassel. Besonders wenn es gut läuft, ist es laut. Ander ist es, wenn es mal nicht so gut läuft. In Flensburg ist es familiärer. Nach unserem nicht so guten Start kamen zwei Tage vor der Partie in Minden viele Fans zu unserem Training. Sie sagten uns: Wir glauben an euch! Das macht etwas mit uns Spielern.

Wie war es eigentlich, als du von Veszprém nach Szeged gewechselt bist? Beide Vereine leben ja eine ungemeine Rivalität.
Kent Robin Tønnesen: (lacht) Der Wechsel war zu meinem Glück in der Corona-Zeit. Da durften kaum Zuschauer in die Hallen.

2023 ging es von der ungarischen Provinz nach Paris. Das muss ja wieder eine enorme Umstellung gewesen sein…
Kent Robin Tønnesen: Es ist schon ein Erlebnis, in dieser Stadt zu wohnen. Wenn man mit der Familie dort ist, sieht man aber gar nicht so viel. Außerdem war ich mit PSG viel unterwegs. Jede Woche waren zwei Spiele. PSG ist ein wirklich gut organisierter Verein, bei dem man sich als Handballer gut aufgehoben fühlt. Ich spielte mit einigen Handball-Größen, unter anderem mit Nikola Karabatic.

Du hast 148 Länderspiele für Norwegen bestritten. Werden noch welche dazukommen?
Kent Robin Tønnesen: Mal schauen, ich hoffe es. Ich liebe es, für mein Land zu spielen. Körperlich fühle ich mich fit genug. Ich versuche meine Leistungen zu bringen und mich für weitere Einsätze zu empfehlen. Was sehr interessant wäre, denn die Vorrunde der kommenden Europameisterschaft findet in Norwegen statt.

Was wird ab Sommer 2026 passieren. Hast du dich schon mit einem Karriereende beschäftigt?
Kent Robin Tønnesen: Das ist noch ein paar Jahre weg. Körperlich fühle ich mich fit, und mir bringt Handball noch immer Spaß. Mich treibt die Motivation an, Titel zu gewinnen. 

Kannst du dir vorstellen, nach deiner Laufbahn dem Handball in einer anderen Funktion treuzubleiben?
Kent Robin Tønnesen: Ich glaube, ich werde dann etwas anderes machen, aber ich habe noch keinen Plan für die Zeit nach der Karriere.

Erstellt von ki