„Es gab viele schöne Momente“

- Abschied bei der SG, Teil 5: Holger Glandorf

Diese Zahlen erreicht nur eine Legende: Holger Glandorf bestritt in neun Jahren 425 Spiele für die SG Flensburg-Handewitt und erzielte 1731 Treffer. Insgesamt spielte er 19 Jahre in der Bundesliga und avancierte zum erfolgreichsten Feldtorschützen der Liga-Historie. „Holger kommt in die Hall of Fame, wenn die FLENS-ARENA wieder voll besetzt ist“, verspricht SG Geschäftsführer Dierk Schmäschke. „Dann wird es auch Zeit für ein Abschiedsspiel.“

Vor Kurzem dachte Holger Glandorf wieder an die letzten Sequenzen des Champions-League-Halbfinals von 2014. Die SG zauberte gegen den FC Barcelona eine irre Aufholjagd auf die Platte. Fünf Tore waren binnen Kürze wettgemacht, eines fehlte noch, um sich in die Verlängerung zu retten. Holger Glandorf kam von der Bank, düste nach vorne, erhielt den öffnenden Pass von Thomas Mogensen, donnerte in die Lücke und traf. Während der Linkshänder jubelnd abdrehte, schlug die Ergebnistafel um: 32:32! Eine halbe Stunde später hatte die SG das Halbfinal-Drama gewonnen, 24 Stunden später saß sie auf dem europäischen Handball-Thron. „Es war ein wichtiges Tor für dieses Wochenende, das letztendlich einen Titel bedeutete“, weiß Holger Glandorf um diesen persönlichen Höhepunkt seiner nun auslaufenden Karriere. War es der schönste Titel im SG Trikot? „Eine Entscheidung möchte ich nicht fällen“, sagt er. Das Rückraumass erinnert an die beiden deutschen Meisterschaften in den beiden letzten Jahren, an den DHB-Pokal von 2015 und an den Europacup der Pokalsieger 2012.

Weltmeisterschaft und Olympische Spiele
In jedem Fall besitzt Köln eine besondere Aura. Dort gelang Holger Glandorf nicht nur der Königsklassen-Coup, sondern 2007 auch der Weltmeister-Triumph. „Wir Handballer profitierten damals vom medialen Fokus und der Fußball-WM im Sommer zuvor“, erzählt der 37-Jährige. „Es war ein Deutschland-Feeling entstanden, und wir ritten auf einer Begeisterungswelle zum Titel.“ Der bedeutete automatisch die Qualifikation für Olympia 2008 in Peking. „Auch wenn die Spiele sportlich nicht erfolgreich waren, so war es doch ein Erlebnis, bei diesem Ereignis dabei gewesen zu sein“, findet Holger Glandorf.

Das Aushängeschild der HSG Nordhorn
Ihm war der Sport, der ihn zum bodenständigen Star machte, in die Wiege gelegt worden. Vater und Bruder spielten, praktisch die ganze Familie stützte die Handball-Euphorie. Und der junge Holger mauserte sich beim OSC Osnabrück zum talentierten Linkshänder, obwohl er alles außer Werfen mit rechts erledigte. Als der Stammverein keine A-Jugend aufstellen konnte, führte ihn der Weg zur HSG Nordhorn. Dort sah das Talent Bundesliga-Handball, der Ehrgeiz flammte auf. Sein Traum ging in Erfüllung. In der Serie 2001/2002 gab Holger Glandorf sein Debüt im rot-weißen HSG-Dress, wäre auf Anhieb fast Meister geworden. Er personifizierte fortan die HSG Nordhorn, gewann mit ihr 2008 den internationalen EHF-Cup. Er hatte dort durchaus Wurzeln geschlagen. Erst im Februar 2009 verließ der Nationalspieler seinen existenziell bedrohten Klub in Richtung Lemgo. Die Ablösesumme sicherte den Spielbetrieb der Niedersachsen bis zum Saisonende.

Über Lemgo zur SG
Die zweieinhalb Jahre in Westfalen waren nicht die Krönung der Karriere. Es paarte sich eine inkonstante Formkurve mit einigen Blessuren. 2011 traf ein Lockruf aus dem hohen Norden ein. Ljubomir Vranjes, einst Spielmacher in Nordhorn, nun Trainer bei der SG, versprach die Fortsetzung einer erfolgreichen Vergangenheit. Schon nach wenigen Wochen feierten die Sprechchöre der „Hölle Nord“ den Neuzugang Holger Glandorf. Natürlich gab es auch Tiefs mit der SG – auf dem Spielfeld und in Zeiten, als Blessuren einen Einsatz ausschlossen. Insgesamt kann er eine sehr positive Bilanz seiner neun Jahre als SG Profi ziehen – auch weil sich seine Liebsten in der Region Flensburg wohlfühlen. „Eine glückliche und funktionierende Familie“, sagt der Profi, „ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass man auf dem Spielfeld eine optimale Leistung bringt.“

Ungewöhnlicher Ausklang
Letztendlich klang die letzte Saison mit Individual-Training und nicht in der Halle aus. „Das ist ein Schicksal von ganz oben“, erklärte Holger Glandorf. Ein Sieg am 8. März bei den Füchsen Berlin schloss die Laufbahn, die allein in der Bundesliga 2406 Feldtore bescherte. Sicherlich wird Holger Glandorf bei der SG irgendwann in den Status einer Vereinslegende aufsteigen. Ein feierlicher Abschied ist vorgesehen. Ein neuer Job in der Geschäftsstelle wartet.