„Ein unbeschreibliches Gefühl“

- Das Interview der Woche: Jim Gottfridsson

Die Spieler der SG Flensburg-Handewitt sind zu ihren Nationalteams. Wer nach den Spieler-Persönlichkeiten der jüngsten EHF EURO sucht, wird kaum an Jim Gottfridsson vorbeikommen. Der Spielmacher der SG Flensburg-Handewitt gewann mit Schweden die Gold-Medaille und wurde zusätzlich zum „Most Valuable Player“ (MVP) gekürt. Die Redaktion blickte mit dem 29-jährigen noch einmal auf ein denkwürdiges Turnier.

In den 90er Jahren waren die Schweden so erfolgreich wie keine andere Nation. Der letzte Titel war die Europameisterschaft von 2002. Waren die „Bengan Boys“ bei der aktuellen schwedischen Handball-Generation ein Thema?
Jim Gottfridsson: In der Mannschaft sprachen wir darüber nicht, aber für jeden einzelnen haben diese erfolgreichen „Bengan Boys“ eine große Bedeutung. Ich beispielsweise erinnere mich noch gut an das Finale der Europameisterschaft von 2002. Ich saß als Neunjähriger vor dem Fernseher – und das Spiel ging hin und her. Und von den damaligen Spielern lernte ich später viele persönlich kennen, da sie dem Handball verbunden blieben. Ola Lindgren und Staffan Olsson beispielsweise waren Nationaltrainer, Ljubomir Vranjes war bekanntlich Coach der SG. Kurzum: Es hatte in Schweden für viel Furore gesorgt, dass wir 20 Jahre nach den „Bengan Boys“ einen Titel gewannen.

Was für ein Gefühl war es für dich persönlich?
Jim Gottfridsson: Mit der SG habe ich alle großen Titel zumindest ein Mal gewonnen. Mein Ziel war es, auch mit der schwedischen Nationalmannschaft einen Titel zu holen – irgendwie. Ich wusste immer, wie schwer es werden würde. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, als mir dann tatsächlich Gold um den Hals gehängt wurde. Ich war unheimlich stolz.

Wie war die Feier? Gab es einen Empfang in Schweden?
Jim Gottfridsson: Ich hatte das Pech zur Doping-Kontrolle zu müssen. Nach dem intensiven Endspiel und den vielen Emotionen dauerte sie für mich drei Stunden. Als ich dann zur Mannschaft im Restaurant stieß, waren die anderen bereits im Party-Modus. Ich hatte aber auch noch eine lustige Nacht. Am nächsten Tag flogen die meisten zurück nach Schweden. Vor der Landung eskortierten Militärmaschinen den Flieger. Ich war allerdings nicht mehr dabei. Ich war nach Hamburg geflogen und mit einem Mietwagen weiter nach Handewitt gefahren. Nach 31 Tagen wollte ich unbedingt meine Frau und meine Kinder wiedersehen.

Was war ausschlaggebend für den schwedischen Erfolg?
Jim Gottfridsson: Ich finde, wir haben es sehr gut geschafft, als Mannschaft aufzutreten. Auch als wir gegen Norwegen und Frankreich zurücklagen, verloren wir nie den Glauben an uns.

Wie wichtig ist dir die persönliche Auszeichnung als MVP?
Jim Gottfridsson: Das Hauptziel ist es immer, als Mannschaft Titel zu gewinnen. Die individuellen Preise registriert man natürlich auch. Nach Ivano Balic und Nikola Karabatic bin ich erst der dritte Handballer, der zwei Mal MVP wurde. Und ich kann dir so viele Weltklasse-Handballer nennen, die nie diese Auszeichnung erhalten haben. Diese Würdigung zeigt auch, dass ich über viele Jahre sehr gute Leistungen gebracht habe.

Wie waren die Rahmenbedingungen in Bratislava und Budapest – auch mit Blick auf die Corona-Pandemie? Konntet ihr euch voll auf den Sport konzentrieren?
Jim Gottfridsson: Ich denke, dass wir Schweden es gut hinbekommen haben. Wir versuchten, nicht nach links oder rechts zu schauen, sondern einfach weiterzumachen. Anfangs war ich selbst relativ entspannt, da ich ja erst im November eine Corona-Infektion gehabt hatte. So schnell ein zweites Mal, das schloss ich aus. Dann war da aber das Hin und Her mit Hampus Wanne. Danach trug ich mehr Mundschutz, desinfizierte mir ständig die Hände, hielt mehr Abstand und holte mir mit Plastikhandschuhen das Essen.

Hatten Hampus und du ein schwedisches SG Doppelzimmer?
Jim Gottfridsson: Nein, ein Magdeburger war mein Zimmergenosse: Daniel Pettersson. Er wurde allerdings auch einmal positiv getestet, sodass ich drei Tage ein Einzelzimmer hatte und als Kontaktperson besonders vorsichtig sein musste.

Mal etwas Amüsantes: Das offizielle EM-Maskottchen war ein Elch? Das muss euch Schweden doch richtig gut gefallen haben.
Jim Gottfridsson: Das war schon putzig. Bei der Europameisterschaft vor zwei Jahren in Schweden war irgendetwas anderes das Maskottchen, aber nun tauchte plötzlich ein Elch auf. Wir Spieler bekamen alle ein Stofftier geschenkt. Mein Sohn Milo hat es nach meiner Rückkehr gleich mit Begeisterung an sich genommen und hat nun ein neues Lieblingskuscheltier.

Während des Turniers tauchte der Vorschlag auf, dass der Handball bei der Winter-Olympiade seine Bühne bekommen könnte, um im Vier-Jahres-Zyklus ein internationales Großturnier einzusparen und den Terminplan etwas zu entlasten. Wie bewertest du diese Idee?
Jim Gottfridsson: Es gibt viele Ideen – und auch gute. Ich persönlich glaube nicht, dass sich viel ändern wird. Sowohl die EHF als auch die IHF verdienen mit ihren Turnieren sehr viel Geld, da wird es wohl kaum Änderungen im Spielmodus geben.

Wie ist nach so einem Erfolg der Übergang in den Bundesliga-Alltag?
Jim Gottfridsson: Als Sportler soll man die Erfolge genießen können, aber der Alltag mit neuen Zielen kommt sehr schnell. Ich bin schon lange dabei und weiß, wie damit umzugehen ist. Abhaken – und weiter geht`s!