Ein goldiger Abgang?

- Magnus Jøndal im Portrait

Zum Ende einer Saison verlassen Spieler einen Verein. Die meisten von ihnen wechseln von einem Klub zu einem anderen. Doch manchmal folgt kein neuer Klub mehr, dann endet die Karriere. So ist es bei Magnus Jøndal, der nach rund 170 Länderspielen für Norwegen und anderthalb Dekaden erstklassigen Sport seine Handballschuhe an den Nagel hängen wird. Die letzten drei Spielzeiten verbrachte der 33-Jährige bei der SG Flensburg-Handewitt.

Nur noch wenige Wochen läuft die Bundesliga-Saison, dann betritt der routinierte Linksaußen tatsächlich noch einmal Neuland. Zum Ausklang rufen die Olympischen Spiele, für die sich die norwegischen Männer zum ersten Mal seit 1972 qualifizierten. „Ein Traum“, sagt Magnus Jøndal, „wäre es, wenn ich in meinem letzten Spiel um eine Medaille kämpfen würde“. Am liebsten natürlich um Gold. Diese letzte Mission wird noch einmal in Stress ausarten. Erst Ende Juni ist der letzte Bundesliga-Spieltag. In Norwegen folgen wahrscheinlich eine achttägige Quarantäne, etwas Vorbereitung und dann der Trip nach Tokio mit bis zu acht Spielen.

Mehr Zeit für die Familie
Viele waren überrascht, als Magnus Jøndal im Dezember das Ende seiner Karriere ankündigte – mit noch nicht einmal 33 Jahren. Während ein Alexander Petersson mit 41 Jahren noch einen neuen Klub findet, zieht der Norweger einen Schlussstrich. „Körperlich ist alles in Ordnung“, sagt er. „Aber ich möchte weniger reisen und vor allem mehr Zeit mit meiner Familie verbringen.“ Das sind Ehefrau Emilie und zwei kleine Kinder. Ein neues Eigenheim im 3000-Seelen-Ort Ytrre Enebakk im Großraum Oslo ist gekauft. „Zur Familie meiner Frau sind es 30 Minuten und zu meiner auch – wir wohnen also genau mittendrin“, erklärt Magnus Jøndal. Angedacht ist eine Tätigkeit als Sportlehrer, Genaueres ergibt sich nach dem Umzug. In Corona-Zeiten und bei den strikten Einreise-Bestimmungen Norwegens ist vieles schwer zu planen. Handball wird der Linksaußen wohl nur noch als Zuschauer oder vielleicht als Trainer seiner Kinder erleben. Ein Comeback in der norwegischen Liga schließt er weitgehend aus. „Ich glaube, ich bin fertig“, betont er. „Aber ich weiß natürlich nicht, wie es in zwei Jahren aussehen wird.“

Familiäre Handball-Gene
In der norwegischen Heimat begann die Karriere des ruhigen Charakters, der nicht als großer Erzähler auffällt. Er war sieben Jahre alt, als ihn familiäre Vorbilder motivierten: Der ältere Bruder und sein Vater spielten Handball. In Tomter, 40 Minuten von Oslo entfernt, kreiste das Leben der 1500 Einwohner um die Kirche, die Grundschule und den Sportverein IL. Doch nach einigen Jahren fehlte es an Nachwuchs in der Handball-Abteilung. Zum Glück für Magnus Jøndal konnte er im 30.000-Einwohner-Städtchen Ski, nur drei Bahnstationen weiter, seine sportliche Passion fortsetzen. Bei Follo HK schaffte er den Sprung in das Männer-Team und in die norwegische Erstklassigkeit. Im verflixten siebten Jahr musste er sich allerdings mit einem Abstieg anfreunden und wechselte zum etablierten Verein OFI Arendal.

Über Dänemark zur SG
In der norwegischen Liga tummeln sich viele Talente, aber zur europäischen Spitze ist es ein gutes Stück. Für Magnus Jøndal war mehr drin: Über die Jugend-Nationalmannschaft hatte er sich für höhere Aufgaben empfohlen und bestritt im Frühling 2010 sein erstes offizielles Länderspiel für Norwegen – ausgerechnet gegen Deutschland. 2016 dachte sich der flinke Flügelflitzer: „Ich möchte auch mal im Ausland spielen, Dänemark ist ein guter Schritt.“ GOG unterbreitete ihm ein attraktives Angebot. Nach Dänemark kennt die nächste Stufe für einen aufstrebenden Handballer nur zwei Ausprägungen: In Deutschland und Frankreich existieren die beiden besten Ligen der Welt. Die SG war auf Magnus Jøndal aufmerksam geworden, wo sich der Neuzugang zunächst an eine ganz andere Kulisse gewöhnen musste. In Arendal kamen 1500, bei GOG 1700 Zuschauer zu den Heimpartien, dann waren es plötzlich 6000. „Wenn ich kurz vor einem Spiel in der Kabine sitze, bin ich doch ziemlich nervös“, verriet er einmal. Inzwischen musste auch er sich an Geister-Kulissen gewöhnen.

Eine Meisterschaft zum Abschluss?
Insgesamt haben sich der Handballer und seine Familie die drei Jahre in Flensburg und in Handewitt wohlgefühlt. „Die SG ist eine starke Mannschaft mit viel guter Laune“, findet er. Gefühlt hat er neben Titeln – bislang 2019 die deutsche Meisterschaft und der Super Cup – alle Extreme mitgenommen. Packende Siege in vollen Arenen, aber auch eine Zwangspause über Monate und dann Geisterspiele. In der ersten Saison brillierte Magnus Jøndal mit einer hohen Effizienz, dann spielte er sehr viel, weil Hampus Wanne verletzt war, und zuletzt stand er im Schatten des überragenden Positionskollegen. „Er ist wohl der beste Linksaußen der Welt – da ist es verständlich, dass ich nicht so viel spiele“, sagt der Norweger. „Ich muss bereit sein, im Training alles geben und dann das Beste herausholen. Nach der Weltmeisterschaft erreichte ich leider nicht immer meine beste Leistung.“ In den letzten Wochen bei der SG würde Magnus Jøndal gerne noch etwas gewinnen. Mit Norwegen errang er zwei Mal WM-Silber und einmal EM-Bronze. Mit Arendal landete einmal der norwegische Pokal im Vereinsbus. Da die Endrunde zwischen Weihnachten und Neujahr ausgetragen wurde, wurde gleich zwei Mal Silvester gefeiert. Das war aber längst nicht so beeindruckend wie die Meisterschaft mit der SG. „Wir spielten auswärts und es waren so viele Zuschauer mitgereist, und als wir nachts im Deutschen Haus ankamen, waren da mindestens genauso viele“, staunt Magnus Jøndal noch immer. Aber wenn Norwegen im August Gold holen sollte, ist dann nicht ein riesiger Empfang in Oslo denkbar? Magnus Jøndal: „Das glaube ich nicht, ich rechne mit acht Tagen Quarantäne.“