„Die beste Zeit als Handballer“

- Das Interview der Woche: Emil Jakobsen

Dieser Ablauf, der eigentlich zu jedem Spieltag gehört, ist schon legendär: Emil Jakobsen fängt den Ball, schreitet gen Wurfkreis, springt ab, wirft und setzt dann zu einer Bewegung an, die man jetzt nicht unbedingt erwarten würde. Während der Ball im Tor einschlägt, inszeniert der Linksaußen einen „Salto Mortale“, stützt sich mit seinen Händen ab, dreht sich und rennt zurück in die eigene Hälfte. Die Redaktion sprach mit dem 27-jährigen Linksaußen der SG über diesen Augenschmaus, die dänische Nationalmannschaft und ein besonderes Treuebekenntnis.

Emil, eine kleine Quiz-Frage: Welcher Spieler der SG hat den Vertrag mit der längsten Dauer?
Emil Jakobsen: (antwortet nach wenigen Sekunden) Das bin ich.

Ja, genau. Zur Weihnachtszeit hast du ja bis 2029 verlängert. Was hat für dich den Ausschlag gegeben, ein so langes Versprechen für die SG einzugehen?
Emil Jakobsen: Da gab es viele Gründe. Ich spiele gerne für die SG. Die Spielphilosophie mit viel Tempo und Gegenstößen passt zu mir. Ich werde als Außenspieler viel miteinbezogen und bekomme viel Verantwortung. Bei der SG habe ich meine bislang beste Zeit als Handballer verbracht. Auch das Umfeld mit der Nähe zu Dänemark, der Stimmung in der Mannschaft und der Gemütlichkeit in der Stadt gefällt mir sehr.

Hattest du schon mal einen Trainer-Wechsel während der Saison erlebt? Wie war diese Erfahrung für dich?
Emil Jakobsen: Es war das zweite Mal bei der SG. Das ist ein Moment, der weh tut und bei dem man als Mannschaft kein wirkliches Programm hat. Nicolej Krickau kannte ich schon von GOG, wir hatten eine gute Beziehung. So war ich sehr traurig, als er beurlaubt wurde. Für uns Spieler konnte es dann nur darum gehen, uns auf Handball zu fokussieren und das Beste aus dieser Situation zu machen. Und als ich im Februar zur SG zurückkam, war ich sehr gespannt, wie der neue Trainer sein würde. Aleš Pajović kannte ich nicht. Ich stellte aber schnell fest, dass die SG mit ihm auf dem richtigen Weg ist. Er ist seriös, aber Spaß und Freude sind für ihn zum Glück keine Fremdwörter.

Du hast noch etliche Heimspiele mit der SG vor dir. Welche Gefühle hast du, wenn du kurz vor dem Anwurf im Tunnel stehst?
Emil Jakobsen: Zum einen ist da eine große Vorfreude auf die Stimmung in einer der besten Arenen Deutschlands. Man ist aber auch angespannt, ja sogar etwas nervös. Ich habe so ein bestimmtes Gefühl im Magen. Und das ist etwas stärker bei den Spielen, in denen es um richtig viel geht.

Und wie ist es während des Spiels?
Emil Jakobsen: Dann ist die Anspannung schnell weg, dann ist der Fokus nur auf die Aufgabe gerichtet.

Und was denkst du bei einem Torwurf?
Emil Jakobsen: Während des Sprungs schaue ich immer, was der Torwart macht – ob er heraustritt oder die Arme hebt. Dabei entscheide ich dann, wie ich werfe.

Der Überschlag nach deinen Toren ist fast schon legendär. Gefühlt sieht man eine solche Technik inzwischen auch verstärkt von anderen Außenspielern. Ist dir das auch aufgefallen?
Emil Jakobsen: Nein, das ist mir nicht aufgefallen. Ich habe diese Bewegungen nicht trainiert, sie sind völlig natürlich entstanden. Ich habe aber festgestellt, dass dieser Überschlag praktisch ist. Ich bin etwa eine halbe Sekunde schneller zurück, als wenn ich auf den Bauch rutschen würde. Diese halbe Sekunde kann für das Rückzugsverhalten entscheidend sein.

Auffällig sind auch deine Tätowierungen. Haben Sie eine besondere Bedeutung? Oder sollen sie nur schön sein?
Emil Jakobsen: Im Prinzip sind sie nur ein Extra – ähnlich wie schöne Kleidung. Nur der Schmetterling auf meinem Arm hat eine besondere Bedeutung, er erinnert mich an meinen Großvater. Bei seiner Beerdigung landete ein Schmetterling auf seinem Sarg und dann auf dem Kopf meines Bruders.

Werfen wir einen Blick zurück in den Januar. Wie ordnest du deinen dritten Weltmeisterschafts-Titel nach 2021 und 2023 ein?
Emil Jakobsen: Es war ein Wahnsinnserlebnis, wie wir das Turnier gewonnen haben. Vor der Weltmeisterschaft fragten wir uns, ob wir ohne Mikkel Hansen und Niklas Landin noch genauso stark sind. Andere Spieler wie Rasmus Lauge oder Simon Pytlick haben zum Glück nicht nur auf dem Spielfeld, sondern auch daneben mehr Verantwortung übernommen. Ich bin stolz, ein Teil dieser dänischen Mannschaft gewesen zu sein. Zwei Mal haben wir mit sechs Toren gewonnen, sonst waren es immer mindestens zehn Tore Vorsprung. Bei den letzten beiden Turnieren gab es mindestens ein Spiel, das doch enger war.

Was habt ihr mehr gefeiert: Olympia-Gold oder WM-Titel?
Emil Jakobsen: Nach den Olympischen Spielen dauerte die Party nur einen Tag. Jetzt waren es zwei Tage: zunächst in Oslo, dann in Kopenhagen, wo wir am Rathaus empfangen wurden. Bei den Olympischen Spielen gab es keinen Empfang, da hatte Dänemark auch noch andere Medaillengewinner und nicht nur seine Handballer. Von der Bedeutung stehen die Olympischen Spiele dennoch an erster Stelle, denn man kann sie nur alle vier Jahre gewinnen. Sie sind das größte Sport-Event überhaupt.

Wie groß ist für dich der Unterschied zwischen Verein und Nationalmannschaft?
Emil Jakobsen: Der ist gar nicht so groß. Es ist natürlich etwas anderes, wenn man seine Nation repräsentiert, aber auf dem Spielfeld ist meine Rolle gar nicht so verschieden. Als Linksaußen ist man nicht besonders in die Taktik eingebunden. Im Nationalteam wie bei der SG geht es hauptsächlich darum, dass ich Tore mache.

Freust du dich schon auf den kommenden Januar, wenn die dänische Nationalmannschaft bis zum Finale in Herning spielen kann?
Emil Jakobsen: Sechs Spiele in Dänemark durfte ich bereits erleben, und die Stimmung in Herning war echt der Wahnsinn. Ich freue mich schon jetzt, und hoffentlich werden wir das Endspiel bestreiten. Gold bei der Europameisterschaft fehlt mir noch.

Das ist eigentlich erstaunlich. Hast du eine Erklärung, warum Dänemark seit 2012 keine Europameisterschaft mehr gewonnen hat?
Emil Jakobsen: Im letzten Jahr hatten wir die Chance, aber Frankreich hat es im Finale besser gemacht. 2022 erreichten wir im Halbfinale gegen Spanien nicht unser Leistungsvermögen. Was davor war, kann ich nicht so genau sagen, denn ich war nicht dabei. Aber es ist wohl auch so, dass es schwieriger ist, eine Europameisterschaft zu gewinnen, da sie etwas ausgeglichener besetzt ist als eine WM.

Wie ist es für dich, in der DAIKIN HBL plötzlich auf Mathias Gidsel, Lasse Andersson, Emil Madsen oder Magnus Landin zu treffen? Einen Monat seid ihr vereint, dann plötzlich Gegner…
Emil Jakobsen: In meinem ersten Jahr bei der SG war es wirklich etwas schwierig für mich, damit umzugehen. Jetzt ist für mich klar: Wer ein falsches Trikot trägt, ist mein Gegner. Freunde können wir erst nach dem Spiel wieder sein.

Was bei der SG auffällig ist: Viele Spieler kommen von GOG. Wie erklärst du dir das?
Emil Jakobsen: Ich denke, es ist nur ein kleiner Zufall, dass ich mit Simon Pytlick, Lasse Møller, Lukas Jørgensen und Niclas Kirkeløkke schon bei GOG zusammengespielt habe. GOG macht die beste Jugendarbeit und bringt sehr viele gute Spieler heraus. Und die SG ist mit Vorliebe auf der Suche nach Top-Spielern aus Skandinavien. Das finden sich bei GOG häufig.

Wie oft bist du in deiner dänischen Heimat?
Emil Jakobsen: Das hängt sehr vom Kalender ab. Wenn es der Spielplan zulässt, bin ich durchaus zwei Mal die Woche in Dänemark. Es kann aber auch nur einmal im Monat sein. Ich fahre dann zur Familie oder nach Odense, wo meine Freundin Helena wohnt. Sie ist auch Handball-Nationalspielerin und kommt – wenn es passt – mich in Flensburg besuchen. Mal sehen, wie es nächste Saison wird. Sie wechselt nach Györ in Ungarn.

Was machst du gerne in deiner Flensburger Freizeit?
Emil Jakobsen: Ich spiele gerne Paddle-Tennis und Golf. Manchmal gehe ich in die Stadt und treffe mich mit einem der SG Kollegen. Wenn wir nicht zu den Auswärtsspielen unterwegs sind, haben wir durchaus viel Freizeit. Oft gehe ich aber nur nach Hause, liege auf dem Sofa, telefoniere mit meiner Freundin, spiele mit der Play-Station oder schaue einen Film.