Die Handball-Szene nannte ihn ehrfürchtig „Hexer“: Andreas Thiel hatte seine großartige Karriere eigentlich bereits beendet und wähnte sich im Frühjahr 2001 mit 41 Jahren im sportlichen Ruhestand, als ihn ein Anruf aus dem hohen Norden erreichte. Dort musste Keeper Søren Haagen wegen einer langwierigen Blessur passen, Jan Holpert benötigte einen Positionskollegen. Er kannte Andreas Thiel bereits aus der deutschen Nationalmannschaft. „Es war unheimlich beruhigend, ihn auf der Bank zu wissen – er hatte einen unglaublichen Erfahrungsschatz“, erinnert sich Jan Holpert.
Deutlicher Sieg im Hinspiel
Die SG kämpfte damals – letztendlich vergeblich – um die deutsche Meisterschaft und erreichte die Endspiele um den Europacup der Pokalsieger. In der Flensburger Fördehalle endete die erste Partie gegen Ademar Leon mit 32:25 für die SG. Jan Holpert stand 50 Minuten im Kasten, Andreas Thiel die letzten zehn Minuten. „Ich habe überhaupt nicht das Gefühl, dass da eine Schar von verängstigten Kaninchen hockt“, sagte er über seine neue Mannschaft. „Im Gegenteil: Das sind alles Typen, die sind konzentriert und locker.“
Eine frenetische Halle
Am 28. April 2001 musste die SG das Polster im „Palacio de Deportes“ zu Leon verteidigen. Dieser Handball-Tempel entpuppte sich als „Hexenkessel“. Schon lange vor dem Anpfiff prasselte Konfetti-Regen hinter dem Tor nieder, Papierschlangen sprudelten hervor und die „Welle“ lief durch das Rund. Die Halle tobte frenetisch, als Alberto Enterrios das 24:18 erzielte. Nur noch ein Tor – und der „Pott“ würde in Spanien bleiben. Mittendrin Jan Holpert. „Mit meiner eigenen Leistung war ich stets kurz vor der Auswechslung, dann hielt ich wieder einen Ball“, erinnert sich der Torwart.
Der entscheidende Siebenmeter
Auf dem rechten Flügel agierte Stefan Schröder. Da Stamm-Rechtsaußen Christian Hjermind verletzt war, musste der 19-Jährige aushelfen. „Das war praktisch meine erste Bewährungsprobe“, erzählt der heutige Jugendkoordinator des HSV Hamburg. „Die Atmosphäre habe ich immer noch in den Ohren.“ In der letzten Minute rückte Stefan Schröder urplötzlich in den Fokus. Wieder einmal verlor der SG Angriff den Ball. Ademar-Linksaußen Carlos Lima eilte gen Tor, Stefan Schröder war aber noch in Reichweite. „Da fand ich, ein Foul wäre jetzt die richtige Entscheidung“, erzählt er. Damals stoppte er den Gegenspieler auf eher rustikale Art, kassierte den roten Karton und musste die letzten Sekunden von der Seitenlinie mitzittern. Heute schmunzelt er: „Ich war mir natürlich zu 100 Prozent sicher, dass Holpi den Siebenmeter halten wird.“ Der Torwart stand nun im Mittelpunkt des Geschehens. „Man hat ja eigentlich ein besseres Gefühl, wenn man nicht so viel nachdenkt“, sagt Jan Holpert. „Aber ich wusste natürlich, dass dieser Siebenmeter sehr entscheidend sein würde. Ich hatte mich mit dem Schützen befasst und wählte eine gute Option.“ Alberto Entrerrios trat an – und scheiterte am „goldenen Fuß“ von Jan Holpert.