Der erfahrenste Feldspieler der Bundesliga

- Alexander Petersson im Portrait

Im Januar wurde die SG Flensburg-Handewitt nochmals auf dem Transfermarkt aktiv, um die Linkshänder-Position im Rückraum nach der Verletzung von Franz Semper doppelt zu besetzen. Sie verpflichtete den erfahrensten Feldspieler der LIQUI MOLY HBL. Alexander Petersson spielt bereits seit 17 Jahren im Handball-Oberhaus, zwischen 2007 und 2010 sogar schon mal für die SG.

Steigende Zahlen begleiten seine Deutschland-Karriere. 2003 heuerte der Isländer als 23-Jähriger beim damaligen Zweitligisten HSG Düsseldorf an. Er bekam dort die „23“ auf sein Trikot geklebt – und führt seitdem sein Eintrittsalter in einen neuen Verein als Rückennummer. Beim TV Großwallstadt war es die „25“, bei der SG die „27“, bei den Füchsen Berlin die „30“ und bei den Rhein-Neckar Löwen die „32“. Jetzt trägt Alexander Petersson die „40“. Völlig unerwartet, wie er bekennt: „Dieser Wechsel kam für mich sehr überraschend.“ Er hatte noch einen laufenden Vertrag bei den Rhein-Neckar Löwen. Allerdings waren die Spielanteile in seinem neunten badischen Jahr deutlich zurückgegangen. Der 40-Jährige war nur noch die Nummer drei auf seiner Position, half bisweilen auf dem rechten Flügel aus. Die SG suchte, die Rhein-Neckar Löwen konnten einen Linkshänder entbehren – so wurde schnell Einigkeit erzielt.

Die Familie blieb im Süden
Alexander Petersson erreichte die Anfrage bei der Weltmeisterschaft in Ägypten. Er reiste vorzeitig ab. „Ich wollte die Zeit mit meiner Familie verbringen“, erklärt der Handballer. „Ich werde sie in den nächsten Wochen und Monaten kaum sehen.“ Seine Ehefrau und die beiden Söhne blieben in Baden wohnen. Dann gab es ein Wiedersehen früher als gedacht. Alexander Petersson feierte in Brest sein Debüt, zog sich kurz danach aber eine Oberschenkel-Blessur im Training zu. Er konnte nicht mit nach Hannover. Stattdessen besuchte ihn seine Familie im hohen Norden. Sie machten auch eine Stippvisite nach Handewitt, wo sie einst im Osterkamp wohnten. Da kamen nostalgische Gefühle auf. Jetzt wohnt Alexander Petersson in der Flensburger Nordstadt in einer möblierten Wohnung. Der Hafen ist nicht weit. „Ich fühle mich nicht fremd“, schmunzelt der Routinier.

Viele Bekannte
Mit Lasse Svan und Jacob Heinl spielte er bereits bei der SG zusammen. Marius Steinhauser und Mads Mensah kennt er von den Rhein-Neckar Löwen, Mark Bult aus der gemeinsamen Zeit bei den Füchsen Berlin. Betreuer Kay Bendixen und Physiotherapeutin Jana Kräber waren schon vor über eine Dekade bei der SG aktive. Auch die Duburghalle und die Kabine versprühen eine „heimische Atmosphäre“. Die erfahrenen Augen nehmen aber auch Veränderungen wahr. Zum Kraft-Training müssen die Profis nun in die noch recht frischen „Flensburg Akademie“. In der Geschäftsstelle sitzen andere Personen, und die Übungseinheiten leitet kein Schwede wie Kent-Harry Andersson oder Per Carlén, sondern Maik Machulla. Er sei sehr strukturiert, findet Alexander Petersson. „Er sagte mir am Anfang, dass ich nicht viel denken soll, sondern mich nur mit meiner Seite und meinen Aufgaben beschäftigen soll“, erzählt der Linkshänder. „Die Spielzüge sind aber eigentlich überall recht ähnlich, haben nur oft einen anderen Namen.“

Spitzname „Die Maschine“ 
Alexander Petersson steht für unverwüstlichen Willen, Kampfgeist und Einsatzbereitschaft. Der gebürtige Lette stoppt gegnerische Gegenstöße schon mal mit einem beherzten Hechtsprung und verfügt über eine Athletik, die ihm den Spitznamen „Die Maschine“ einbrachte. Als die Isländer 2010 bei der Europameisterschaft das einzige Mal Bronze errangen, gehörte der Bundesliga-Profi zu den absoluten Leistungsträgern und wurde auf der Vulkaninsel einige Monate später sogar zum „Sportler des Jahres“ gekürt. Inzwischen hört er die Auszeichnung „Die Maschine“ seltener, musste wegen der Achillessehne beim Laufen etwas zurückschalten. Er ist aber noch immer sehr explosiv und entfaltet eine enorme Energie an den Hanteln. „Aber ein Spiel über die kompletten 60 Minuten ist nicht mehr ganz drin“, grinst Alexander Petersson. Es waren wohl die langen, dunklen Winter und die schroffe Natur im Nordatlantik, die den Ballwerfer abhärteten. 1998 hatte er die lettische Metropole Riga verlassen, um beim RK Grotta einen ersten Profi-Vertrag zu unterschreiben. „Diesem Land habe ich meine Karriere zu verdanken“, weiß er. „Als ich nach Island kam, konnte ich nur schnell rennen und hart werfen. Meine Technik, das taktische Verständnis, die Athletik – all das habe ich dort gelernt.“

Olympia 2008 der größte Erfolg
Alexander Petersson setzte sich durch. Er lernte die Sprache, heiratete eine Isländerin (Eivor) und wurde 2004 auch Staatsbürger des Inselstaats. Vier Jahre später war er einer der isländischen Olympia-Helden von 2008, die den kleinen Staat mit einer sensationellen Silber-Medaille beglückten. Von Peking ging es in die isländische Hauptstadt Reykjavik, wo die halbe Nation auf den Beinen war. Der Präsident des Landes verlieh der gesamten Mannschaft den „Orden des Falkes“. Im Anschluss hetzte Alexander Petersson von Island zurück, um mit der SG an einem Sponsoren-Termin teilzunehmen und in die neue Saison zu starten.

Rückkehr zur SG
Über seine frühere Zeit bei der SG spricht er von „drei schönen Jahren“. Die Mannschaft wurde einmal „Vize“ und einmal Dritter, für einen Titel langte es damals nicht. Stattdessen erlebte der Handballer mit, wie der Klub zwischenzeitlich in einen wirtschaftlichen Schlingerkurs geriet. Da er ohnehin im Schatten von Trainer-Sohn Oscar Carlén stand, nahm Alexander Petersson 2010 das Angebot der aufstrebenden Füchse Berlin an, mit denen er sogar das Final Four der Champions League in Köln erreichte. Mit den Rhein-Neckar Löwen wurde er zwei Mal deutscher Meister. „Das war schon etwas Bedeutsames“, sagt der 40-Jährige. „Aber die Olympische Medaille war das Größte – sie erinnert mich immer an ein großes internationales Event.“ Natürlich hätte er nichts dagegen, mit der SG in dieser Saison nach der Meisterschale und der Trophäe der EHF Champions League zu greifen.

Die Zukunft
Im Sommer geht es zurück nach Baden. Dann möchte Alexander Petersson bei einem neuen Verein die Nummer 41 tragen. „Es soll eine Saison zum Überbrücken werden“, erklärt er. 2022 wird Sohn Lukas, der Torhüter der U17 des Fußball-Bundesligisten TSG Hoffenheim ist, volljährig. Der Rest der Familie plant, dann nach Island zu ziehen. „Meine Frau ist schon fast 20 Jahre wegen mir in Deutschland, sie möchte zurück“, erklärt Alexander Petersson. Und wird er dann auch noch ein Trikot mit der „42“ tragen? Wohl eher nicht. „Vielleicht bin ich noch ein paar Stunden in der Halle und trainiere etwas mit der Jugend“, sagte er. „Aber ich möchte nicht mehr diese Wochenend-Routine und ständig unterwegs sein.“