„Das System funktioniert“

- Das Interview der Woche: Simon Pytlick

Ein großes Turnier vor eigenem Publikum – das ist für Handballer ein besonderes Erlebnis. In diesen Genuss kommen nun einige Spieler der SG Flensburg-Handewitt, da die aktuelle Weltmeisterschaft nicht nur in Oslo und drei kroatischen Städten, sondern mit zwei Gruppen der Vorrunde und einer Staffel der Hauptrunde auch im dänischen Herning ausgetragen wird. Zu den Glücklichen gehört Simon Pytlick. Die Redaktion sprach mit dem 24-Jährigen über die Chancen bei der WM, über neue Strukturen im dänischen Team und über Erinnerungen an frühere Turniere.

Simon, du bist seit November Vize-Kapitän der dänischen Nationalmannschaft. Welche Bedeutung hat dieses Amt?
Simon Pytlick: In einer Mannschaft, in der viele zu den Besten der Welt gehören und in der viele große Charaktere stehen, ist es relativ einfach eine große Rolle einzunehmen. In erster Linie unterstütze ich unseren Kapitän Magnus Saugstrup. Ich muss noch mehr als bislang unsere Mannschaft im Blick behalten und darauf achten, wenn jemand einen schlechten Tag hat. Diesem Spieler wollen wir gemeinsam helfen, damit wir gemeinsam möglichst viel Erfolg haben. In den letzten Jahren waren Niklas Landin und Mikkel Hansen sehr wichtig für die Struktur der Mannschaft. Beide sind nicht mehr dabei. Wir hatten auch abseits des Spielfeldes ein System, das funktionierte. Das soll nun fortgesetzt werden – allerdings mit anderen Leuten.

Wie ist es, wenn man zum dänischen Nationalteam kommt? Was macht den Unterschied zum Verein aus? 
Simon Pytlick: Wenn man nach Monaten beim Verein wieder zur dänischen Nationalmannschaft darf, dann freut man sich sehr. Die nächsten Wochen bestehen dann aus anderen Aufgaben, die mit anderen Menschen zu lösen sind. Das soll bitte nicht falsch verstanden werden. Ich bin natürlich sehr gerne bei der SG, aber die Abwechslung ist schön. Und nach einem Turnier freue ich mich, wenn ich wieder zurück nach Flensburg komme. In der dänischen Nationalmannschaft befindet man sich unter den besten Handballern Dänemarks und spürt das Vertrauen von Trainer Nikolaj Jacobsen. Spielzüge und Abstimmung sind so schnell gefunden, ebenso der Rhythmus.

Die SG ist im dänischen Nationalteam ja immer gut vertreten. Ist es etwas merkwürdig, wenn man so viele SG Spieler plötzlich in einem anderen Trikot sieht?
Simon Pytlick: Es ist vor allem sehr angenehm, dass man mit so vielen Freunden gleich in zwei Mannschaften spielen darf. Man kennt sich auf dem Spielfeld so gut, dass es weitere Vorteile bringt. Mit Emil Jakobsen teile ich mir bei der Nationalmannschaft sogar das Zimmer. Anders als bei der SG, wo ich ja bei Auswärtsspielen mit Lukas Jørgensen auf dem Zimmer zusammen bin.

Welche Erinnerungen hast du an den Spielort Herning?
Simon Pytlick: Ein großes Turnier habe ich dort noch nicht gespielt. Aber schon einige Länderspiele – und auch schon vor 15.000 Zuschauern. Bei der Weltmeisterschaft 2019 habe ich die Stimmung am Fernseher erlebt, was schon sehr beeindruckend war. Auf dem Spielfeld wird es sicherlich noch beeindruckender.

Was sagst du zu den Gegnern Italien, Algerien und Tunesien?
Simon Pytlick: Italien hat gerade sehr gut gegen Spanien mitgehalten. Mit Domenico Ebner aus Leipzig und Simone Mengon aus Eisenach gibt es immerhin zwei starke Bundesliga-Spieler. Gegen Tunesien spielten wir vor zwei Jahren bei der letzten Weltmeisterschaft. Die sind taktisch etwas anders aufgestellt, sodass es gegen diesen unbequemen Gegner etwas Geduld braucht, um in den eigenen Rhythmus zu kommen. Über Algerien kann ich gar nichts sagen, aber vermutlich spielen sie ähnlich wie Tunesien. In jedem Fall sollten wir die Vorrunde gewinnen.

Ist das Turnier für euch eine Heim-Weltmeisterschaft? Oder stört es, dass ihr ab dem Viertelfinale Dänemark verlassen müsst?
Simon Pytlick: Wir haben sechs Spiele in Herning, darüber freuen wir uns erst einmal sehr. Ebenso auf die riesige Unterstützung der Fans. Was dann kommt, werden wir sehen. Vor zwei Jahren spielten wir das Viertelfinale in Schweden, das Halbfinale in Polen und dann das Endspiel wieder in Stockholm. Uns ist es am wichtigsten, dass wir weit kommen – egal ob in Oslo oder Zagreb.

Wie seht ihr eure Chancen auf eine Titelverteidigung?
Simon Pytlick: Die Möglichkeit ist da, weil wir eine sehr gute Mannschaft haben. Es gibt aber auch einige andere sehr starke Teams. Frankreich und Schweden sind wie immer vorne dabei. Ebenso die Deutschen. Bei den Olympischen Spielen haben wir gegen sie zwar klar gewonnen, aber sie haben viele Spieler mit Potenzial. Auch die Kroaten und die Norweger muss man nennen: Sie haben bestimmt einen Heimvorteil.

2023 warst du das erste Mal bei einer Weltmeisterschaft dabei. Welche Erinnerungen hast du?
Simon Pytlick: Das war schon fantastisch, dass wir bei meiner Premiere gleich Weltmeister geworden sind. Vor dem Turnier wäre ich sehr froh gewesen, wenn ich nur irgendwie dabei gewesen wäre und hätte mich auch mit der Bank angefreundet. Es war unglaublich, dass ich so viele Spielanteile erhielt und eine große Rolle bekam. Ich fühlte mich so, als ob ich das große Rampenlicht betreten hätte. Plötzlich nahm mich die Handball-Welt wahr.

Du hast Weltmeisterschaft, Europameisterschaft und Olympische Spiele jeweils einmal bestritten: Welches Turnier ist am anspruchsvollsten?
Simon Pytlick: Da würde ich die Europameisterschaft nennen. Ich denke da vor allem an das letzte Halbfinale, als wir Deutschland nur bezwingen konnten, weil wir es im Angriff mit sieben gegen sechs gelöst haben. Der Druck der Zuschauer und des Gegners war enorm. Insgesamt umfasst eine Europameisterschaft sehr viele schwere Spiele. Die gibt es auch bei Olympia, der Spielplan ist aber insgesamt kompakter. Und bei einer Weltmeisterschaft – bei allem Respekt – kommt es auch mal zu Begegnungen gegen einen nicht ganz so starken Gegner.

Über die Weltmeisterschaft 2019 haben wir ja schon gesprochen. Welches Turnier hast du als Zuschauer denn noch sehr aufmerksam verfolgt?
Simon Pytlick: 2021 war zum ersten Mal mein Kumpel Mathias Gidsel dabei. Ich war sehr gespannt, wie er sich machen würde. Es war phänomenal, wie sein Weg ins All-Star-Team führte. Ich dachte mir nur: So etwas würde ich mir auch für mich wünschen – so stark als Debütant aufzutrumpfen. Zwei Jahre später war ich dann dabei. Und es lief ja bekanntlich sehr gut. Weitere Weltmeisterschaften sind bei mir nicht so in Erinnerung geblieben. Wesentlich nachhaltiger waren die Olympischen Spiele von 2016. In Rio wurde Dänemark Weltmeister, mit meiner damaligen Mannschaft fieberte ich mit. Wir sahen so etwas wie einen Urknall, denn seitdem hat Dänemark sehr viele Titel gewonnen – und das zunehmend mit einer neuen Spieler-Generation.