Auf Entdeckungsreise mit einer SG Legende

- Jacob Heinl im Portrait

Jacob Heinl ist ein Urgestein, trug bereits in der Jugend das Trikot der SG Flensburg-Handewitt. Allein für die Profis stand er 420 Mal in 13 Jahren auf dem Spielfeld, was ihn zur Vereinslegende macht. Mit größter Wahrscheinlichkeit wird der 34-Jährige nicht mehr für seinen Herzensklub spielen. Wir sitzen im Restaurant „Columbus“ und machen mit ihm eine Entdeckungsreise durch seine Karriere.

Jacob Heinl durchlief eine Flensburger Bilderbuch-Karriere, die keine Vereinswechsel kannte, sondern nur Sprünge von einer Altersklasse zur nächsten. Oft stand der Jugendliche auf der Stehtribüne und feuerte seine SG an. Seine Lieblingsspieler waren zu jener Zeit Johnny Jensen und Michael Knudsen, die Kreisläufer. Und davor schwärmte er für Matthias Hahn. Der sollte eine ganz wichtige Rolle in seiner Entwicklung einnehmen. 2005, als der Übergang von der A-Jugend in den Männerbereich eingefädelt werden musste, drohte die Laufbahn in einer Sackgasse zu enden, bevor sie so richtig begonnen hatte. Jacob Heinl sollte in die Bezirksliga-Vertretung der SG integriert werden. „Der ist doch gut in der Abwehr“, erkannte Matthias Hahn, Trainer der Regionalliga-Truppe. Im Juni 2007 brauchten die Profis kurzfristig eine abwehrstarke Aushilfe. Jacob Heinl empfahl sich für die nächste Saison-Vorbereitung und dann sogar für den Profi-Kader. Die Hinrunde verlief komplett ohne den Youngster. Zu Beginn der zweiten Saison-Hälfte gingen der SG die Innenverteidiger aus. Frank von Behren hatte den Klub verlassen, Johnny Jensen war verletzt. Jacob Heinl erinnert sich noch genau, wie er am 6. Februar 2008 seine ersten Bundesliga-Minuten absolvierte. Nur vier Tage später, die SG duellierte sich in der Champions League mit dem HSV Hamburg, musste auch Michael Knudsen nach wenigen Minuten passen. Jacob Heinl sprang in die Bresche – und erntete Lobeshymnen. „Im nächsten Sommer signalisierte mir Trainer Kent-Harry Andersson, dass ich mehr Einsatzzeiten erhalten werde“, erzählt das SG Urgestein. Ein Wechsel zu Bayer Dormagen war vom Tisch.

Nationalteam und Titel
Der abwehrstarke Kreisläufer mauserte sich zum Stammspieler. „Die Verletzungen anderer waren meine Chance“, blickt er zurück. „Aber ich musste diese Gelegenheit auch nutzen. Wenn man nicht das größte Talent hat, muss man umso mehr arbeiten. Zudem war ich eher ein schüchterner Typ, der sich erst einmal durchsetzen musste.“ Das gelang. Bereits am 2. Dezember 2009 feierte der defensivstarke Akteur gegen Weißrussland sein Länderspiel-Debüt. Im Januar 2011 reiste er mit der DHB-Auswahl das erste und einzige Mal zu einer Weltmeisterschaft. Da war er im Gefüge der SG längst eine feste Größe. Er gewann 2012 den Europacup der Pokalsieger – und 2014 die VELUX EHF Champion League. „Es war schon bemerkenswert, wie wir das Halbfinale gegen Barcelona umgedreht haben“, schwärmt Jacob Heinl noch immer. „Dann schlugen wir auch noch den THW Kiel, gegen den wir zuvor ein paar Mal im Finale des DHB-Pokals verloren hatten. Ich war mir dennoch immer sicher, dass wir gewinnen. Ich hatte einfach das Gefühl, dass es unser Tag war.”

Der Tiefpunkt
Nur ein halbes Jahr später rutschte er in eine dunkle Phase. Gerade als es so aussah, dass Jacob Heinl aufgrund guter und konstanter Leistungen zum zweiten Mal zu einer Weltmeisterschaft fahren könnte, setzte ihn eine chronische Entzündung am Rücken zunehmend außer Gefecht. Spielte der Kreisläufer einmal, dann konnte er sich zwei Tage lang nicht bewegen, bis er ganz aus dem Spielbetrieb genommen wurde. „Es war eine schwere Zeit“, erzählt er heute. „Manchmal fragte ich mich, nicht wann ich wieder spielen kann, sondern ob überhaupt.“ Nach mehr als einem Jahr kehrte er zurück. Es folgten aber häufiger Rückschläge, sodass allmählich die Entscheidung reifte, die Karriere in einem neuen Umfeld mit geringerer Belastung fortzusetzen. Ganz unverhofft erwuchs der 3. Juni 2018 zum krönenden, vorläufigen Abschluss. „Ich habe mich so sehr über die Meisterschaft gefreut, nach der die gesamte Region gelechzt hatte, dass ich gar nicht richtig realisierte, gerade mein letztes Spiel bestritten zu haben”, verrät Jacob Heinl.

Dänemark und die Rückkehr
Wenige Wochen später war er wieder in der FLENS-ARENA und wurde offiziell in den Status der SG Legende erhoben. Da war er bereits Abwehrchef vom dänischen Erstligisten Ribe-Esbjerg. Der Flensburger zog nicht um, sondern pendelte die 150 Kilometer an die Westküste Dänemarks. „Schnell machte mir das gar nichts mehr aus, der Mensch ist ja ein Gewohnheitstier“, schmunzelt er. „Als ich dann wieder bei der SG war und die Halle nur fünf Minuten entfernt lag, merkte ich erst die ganz andere Qualität.“ Es war der Spätherbst 2019, als der SG Clan eine schwere Blessur von Simon Hald zu beklagen hatte. Jacob Heinl hatte davon gehört, wunderte sich dennoch, warum plötzlich der Name von SG Coach Maik Machulla auf dem Display seines Handys auftauchte. „Was willst du denn?“ Wenige Tage später, nach etlichen Gesprächen und Mails zwischen Klubs und Verbänden, spielte der verlorene Sohn wieder für seinen „Herzens-Verein“. Die Fans, die Winner-Mentalität und die sportliche Grundphilosophie ermöglichten ein automatisches Einleben.

Die letzte Saison
Im Februar 2020 wurde der Vertrag von Jacob Heinl noch einmal verlängert – kurz vor dem Corona-Lockdown. Im Sommer war nicht nur Jacob Heinl froh, endlich wieder seinem Sport nachgehen zu dürfen. Er verschwendete noch keinen Gedanken, dass es seine letzte Saison werden könnte. Sie begann sehr holprig. Der Defensiv-Stratege verletzte sich bei einem Testspiel in Silkeborg am Knie. Er mischte nach zwei Monaten wieder mit, hatte aber immer wieder Beschwerden. „So hatte ich mir das nicht vorgestellt“, sagt er. „Bei meinem letzten Spiel in Leipzig war ich halbhinkend auf dem Feld.“ Bei einer Operation im Januar wurden Meniskus- und Knorpelschäden behoben – das Ende der Spielzeit.

Wie geht es weiter?
Auch jetzt gibt es noch viele Fragezeichen. Als positiv wertet es Jacob Heinl, dass keine Schwellungen und Schmerzen mehr vorhanden sind. Bis in den April hinein konnte er aber nur den Oberkörper trainieren und musste Krücken verwenden. „Ich werde alles dafür tun, dass das Knie wieder für den Leistungssport tauglich ist“, erklärt er. „Die Motivation habe ich, und ich kann mir gut vorstellen, weiterhin zu spielen.“ Bei der SG wird das nicht der Fall sein. Der Kontrakt läuft aus. „Man hat offen und ehrlich mit mir gesprochen“, berichtet Jacob Heinl. „Es tat natürlich weh. Es ist rational aber völlig okay, dass der Verein einen jüngeren Spieler, der vorne wie hinten spielen kann, verpflichten wollte.“ Er selbst muss abwarten, ob sich ein neuer Klub anbieten wird oder doch schon sehr bald eine berufliche Laufbahn aktuell wird. „Im Moment schließe ich nichts aus, ich werde keine Option zuschlagen“, betont er. Die SG und Flensburg werden aber gewiss weiterhin eine große Bedeutung in seinem Leben einnehmen. Jacob Heinl blickt aus dem Fenster auf den Innenhafen. „Ich bin sehr gerne am Wasser, bestelle mir ein Fischbrötchen oder setze mich in eine der Lokalitäten.“