Als die SG Geschichte schrieb

- SG History: Vor 25 Jahren feierte die Region den ersten Titel

Es war am 19. April 1997, also vor 25 Jahren, als die SG Flensburg-Handewitt in der ausverkauften Fördehalle den dänischen Vertreter Virum Sorgenfri deutlich distanzierte und mit dem EHF-Cup die erste Trophäe der Vereinsgeschichte ergatterte. Der damalige Trainer Anders Dahl-Nielsen meinte ebenso plakativ wie passend: „Wenn man einen Titel gewinnt, dann schreibt man Geschichte.”

2016 erschien das Buch „Das sind die Fans der SG Flensburg-Handewitt und ihre Geschichten”. Darin fasste Jan Fegter seine persönlichen Erinnerungen an die Ereignisse von 1997 zusammen. Unter anderem schrieb der damalige Rückraumspieler über die Entscheidung der SG, die Siegesfeier im Deutschen Haus zu veranstalten: „Dass dies eine ziemlich gute Idee war, erkannten wir bereits beim Verlassen der Halle, als wir den auf uns wartenden Oldtimer-Bus sahen, der uns mit Begleitung in Richtung Stadt bringen sollte. Die Fahrt, eigentlich eine Sache von drei Minuten, dauerte gefühlt zwei Stunden. Am Straßenrand standen bereits hunderte Fans Spalier. Als wir dann von der Exe bergab in Richtung Deutsches Haus fuhren, sahen wir schon von Weitem den aus allen Nähten platzenden Berliner Platz. Auf dem hatten sich zu den eh schon dort befindlichen Großleinwand-Zuschauern mittlerweile auch die Fans aus der Halle gesellt. Da passte kein Blatt mehr zwischen all die Verrückten. Sehr beeindruckend war auch das Bild einer jungen Frau, die mitten auf dem Platz auf einer Straßenlaterne saß.“

Eine mehrmonatige Anlaufzeit
Es folgte eine Party bis weit in die Nacht. Bis zu diesem Happyend war eine mehrmonatige Anlaufzeit nötig gewesen. In den ersten Runden schaltete die SG nacheinander die Kadetten Schaffhausen, Banik Karvina und Gorenje Velenje aus. Das Halbfinale zeigte, dass der Bundesligist bereits in seinem zweiten Jahr auf der internationalen Bühne gereift war. Noch im Vorjahr war er in der Vorschlussrunde an BM Granollers gescheitert, nun glückte die Revanche gegen den spanischen Vertreter.

Hinspiel in der Brøndby-Halle
Vor dem Finale lechzten die Region und die Mannschaft nach dem ersten I-Tüpfelchen der Vereinsgeschichte. Gleich 1000 Fans reisten mit in die große Brøndby-Halle zu Kopenhagen, wo das Hinspiel stieg. Ein ungewöhnliches Ambiente für die damalige Handball-Ära. Es dominierten die Schulsporthallen, und auf den Spielbericht durften nur zwölf anstatt der heutzutage üblichen 16 Akteure. „Obwohl einige Mannschaftskameraden und auch ich über 30 Jahre alt waren, waren wir doch sehr angespannnt – es war unser erstes Finale”, erinnert sich Kreisläufer Matthias Hahn. „Und dann wurden wir von der Stärke des Gegners überrascht.“ In der Tat standen auch beim dänischen Kontrahenten Virum Sorgenfri einige starke Profis unter Vertrag. Ian Marko Fog oder Peter Nørklit sollten später eine internationale Karriere starten. „Und Klaus Bruun Jørgensen“, erinnert sich SG Keeper Jan Holpert, „hatte das Spiel seines Lebens.“ Erst in der zweiten Hälfte wurde der Linkshänder in Manndeckung genommen. „Eigentlich kam diese Maßnahme zu spät“, gestand Anders Dahl-Nielsen später. Die taktische Maßnahme verfehlte ihre Wirkung nicht. Die SG gestaltete den zweiten Durchgang wesentlich offener. „Wir schafften zum Glück noch eine gute Grundlage für das Rückspiel“, weiß Holger Schneider. Der Linksaußen selbst war es, der nervenstark mit zwei Treffern den 22:25-Endstand markierte.

Titel nach Geburtstag
Einen Tag vor dem Rückspiel hatte Lars Christiansen seinen 25. Geburtstag. „An den erinnere ich mich überhaupt nicht mehr”, erzählt der damalige Linksaußen heute. „So ein Geburtstag hatte als junger Spieler wohl keine so große Bedeutung, und wir waren zu 100 Prozent darauf fokussiert, mit der SG den ersten Titel zu gewinnen.” Am 19. April 1997 war die Fördehalle natürlich restlos ausverkauft. Unzählige Handball-Verrückte drängten sich vor einer Großleinwand am Deutschen Haus. Das, was sich in der Fördehalle abspielte, ließ sich auf einen Nenner bringen: Handball-Zauber, bei dem die dänischen Gäste nie über die Rolle Mitleid erregender Statisten hinauskamen. „Im Hinspiel waren wir sehr schlecht“, meint Abwehr-Chef Andreas Mau. „Zu Hause haben wir die Sache dann gedreht, weil wir es unbedingt wollten.“

Klarer Spielverlauf
Über 9:4 und 17:8 baute die SG ihren Vorsprung immer weiter aus, bis schließlich ein 30:17 an der Anzeigetafel aufleuchtete. „Das Gefühl, als der Schlusspfiff nahte, werde ich nie vergessen“, schwärmt Abwehr-Stratege Peter Leidreiter. „Das war das Größte, was ich in meiner Handball-Karriere erreicht habe und wird immer in meiner Erinnerung bleiben.“ Damit steht er keineswegs allein. „Damals“, analysiert Andreas Mau im Nachhinein, „hatte die SG das Image der Fahrstuhl-Mannschaft endgültig abgelegt. In Handball-Europa wusste nun jeder, wo Flensburg liegt.“ Eine ganze Region lag im blau-weißen Freudentaumel. Lars Christiansen feierte seinen Geburtstag nach und sinnierte: „Ein Titel – das war etwas Besonderes.“ Noch markigere Worte fand Anders Dahl-Nielsen: „Wenn man einen Titel gewinnt, dann schreibt man Geschichte.“ Die SG sollte den EHF-Cup zwölf Monate später nicht verteidigen und auch nie wieder erringen. Es folgten aber vier weitere internationale Trophäen – als Höhepunkt 2014 die EHF Champions League.