„Alles Weitere wird man sehen“

- Das Interview der Woche

Drei Jahre lang bildete Torbjørn Bergerud zusammen mit Benjamin Buric das Torhüter-Gespann der SG Flensburg-Handewitt. In Kürze wechselt der Norweger zum dänischen Erstligisten GOG. Anlass genug für die Redaktion, mit dem 26-Jährigen einmal zu plaudern. Allerdings musste das Interview kurzfristig verlegt werden.

Torbjørn, eigentlich wollten wir dieses Gespräch bei einem Fischbrötchen am Hafen führen. Aber bei dem Regen bevorzugen wir die Tribüne in der Duburghalle. Hattest du dich schon auf das Fischbrötchen gefreut?
Torbjørn Bergerud: Wenn ich ehrlich bin, habe ich noch nie ein Fischbrötchen probiert. Zwar esse ich etwa einmal die Woche Fisch, aber hauptsächlich Lachs. Für ein Fischbrötchen ergab sich nie die richtige Gelegenheit, so etwas kannte ich aus Norwegen auch nicht.

Was isst du denn am liebsten?
Torbjørn Bergerud: Die letzten vier Jahre war ich Weihnachten in Dänemark, wo Verwandte von mir leben. Da gab es immer Ente, dazu Kartoffeln, Chips und braune Soße. Diese dänische Tradition schmeckt einfach köstlich.

Deine Zeit bei der SG geht allmählich zu Ende? Wie hat es dir in Flensburg gefallen?
Torbjørn Bergerud: Sportlich lief es mit der Mannschaft richtig gut. Im ersten Jahr wurden wir gleich Meister. Auch in der zweiten Saison waren wir gut unterwegs, konnten wegen der Corona-Pandemie aber keine Titel holen. Mal schauen, was die letzten Wochen noch bringen werden. Abseits des Spielfeldes habe ich ein paar Freunde dazugewonnen, vor allem mit den anderen Norwegern hatte ich viel zu tun. Flensburg passte von der Größe, es ist eine schöne und gemütliche Stadt. Es gibt nette Restaurants, und am Hafen kann man gut spazieren gehen – sofern die Sonne scheint. Aber es ist natürlich so, dass ich nicht wegen der Stadt nach Flensburg gekommen bin, sondern wegen dem Handball.

Was gab nun den Ausschlag für einen Wechsel zu GOG?
Torbjørn Bergerud: Ich möchte mehr spielen und mehr Verantwortung tragen. Und ich bin mir sicher, dass das bei GOG möglich ist. 

Was wusstest du bisher über GOG? Kennst du dort einige Spieler?
Torbjørn Bergerud: Ich werde wohl der einzige Norweger sein. Sonst kenne ich die Mannschaft nicht so gut. Mit Ausnahme von Anders Zachariassen aus zwei gemeinsamen Jahren in Flensburg. Mit Gøran Søgard und Lasse Møller tauschte ich mich etwas aus. Es scheint so, dass auch GOG ein Klub ist, der sich wie eine große Familie anfühlt. Ich freue mich auf Odense, wo ich wohnen werde. Zwar muss ich zu den Spielen und zum Training etwas fahren, aber ich wollte nicht auf dem Dorf leben. Fast alle Spieler wohnen in Odense. Eine ziemlich coole Stadt.

Warum hast du einen Vertrag über nur ein Jahr unterschrieben?
Torbjørn Bergerud: Ich möchte erst einmal spielen und Selbstvertrauen sammeln. Alles Weitere wird man dann sehen. Bislang habe ich nirgendwo einen Vertrag ab 2022 unterschrieben. Vielleicht verlängere ich bei GOG oder es meldet sich ein anderer Verein.

Du hast schon in Norwegen, Schweden und Dänemark gespielt. Was unterscheidet diese Ligen von der LIQUI MOLY HBL?
Torbjørn Bergerud: Mein Weg war im Prinzip so, dass jeder Wechsel mich auf der Treppe eine Stufe höher brachte. In Norwegen spielen viele junge Spieler, die Liga ist nicht so stark. In Schweden und Dänemark sah es schon anders aus. Und in Deutschland kommen die Schützen mit einer enormen Physis auf das Tor geflogen. Mit den Zuschauern ist es ähnlich. In Drammen hatten wir 300 Zuschauer, in Lund knapp 500. In Holstebro sorgten 1000 Zuschauer für ein volles Bild, weil die Halle klein war. In Flensburg sind es 6000, und auch andernorts ist es fast immer ausverkauft.

Norwegen hat es diesmal zu den olympischen Spielen geschafft. Freust du dich auf das Ereignis? Warst du schon mal in Japan?
Torbjørn Bergerud: In Japan war ich noch nie. Wir sind alle etwas stolz, dass wir dabei sein werden. Norwegen war bislang nur 1972 für das Olympia-Turnier qualifiziert. Natürlich habe ich schon viel von diesem Ereignis gehört, aber es wird wohl anders sein als sonst. Wegen der Corona-Pandemie müssen wir mit anderen Rahmenbedingungen rechnen. Inzwischen sind wir es ja schon fast die gesamte Saison gewöhnt, ohne Zuschauer zu spielen. Sportlich wollen wir um die Medaillen kämpfen und müssen uns zunächst in der starken Gruppe gut platzieren. Es wäre toll, wenn wir das Karriereende von Magnus Jøndal und Bjarte Myrhol mit Gold oder zumindest einer Medaille krönen können.

Eine ganz andere Frage: Wie bereitest du dich als Torwart auf ein Spiel vor? Es wird ja gewiss anders als bei den Feldspielern sein.
Torbjørn Bergerud: Also, was im Angriff passiert, ist mir absolut egal – Hauptsache wir machen Tore. Wir Torhüter schauen definitiv mehr Videos und studieren die Wurfbilder der Schützen. Natürlich tauschen wir uns mit der Abwehr aus. Wir müssen ja wissen, wo die Deckung die Würfe zulassen möchte. Aber es ist natürlich so, dass auch die gegnerischen Handballer sehr gut werfen und variieren können. Auch der Kontakt oder der Abwehrblock wirken sich auf die Wurfbahnen aus. Aber wir versuchen natürlich alles, um bestmöglich vorbereitet zu sein.

Im Tor kann man nur alleinstehen. Zumindest in Spitzenmannschaften gibt es einen zweiten starken Keeper. Bei der SG ist es bekanntlich Benjamin Buric. Was dominiert: Konkurrenz oder Kooperation?
Torbjørn Bergerud: Es ist wohl eine Mischung. Im Spiel hofft man auf der Bank, dass der andere die Bälle hält – schließlich will man ja gewinnen. In den kurzen Gesprächen unterstützt man sich mental: Kopf hoch! Oder man gibt sich ein paar Tipps: Schau mal, der Linksaußen scheint immer gleich zu werfen! Aber natürlich will man selbst am liebsten immer spielen, sodass die Konkurrenz auch anstachelt, im Training alles zu geben und besser zu werden.

Mit Jan Holpert ist ein ehemaliger Weltklasse-Keeper als Torwart-Trainer bei der SG involviert. Er stand von 1993 bis 2007 bei der SG im Kasten…
Torbjørn Bergerud: Das ist eine sehr lange Zeit, aber ich weiß nur von Hörensagen, dass Jan Holpert einst ein so großer Torwart war. Ich selbst wollte als Junge Fußballer werden und kannte keine Handballer. Der erste, der mir dann auffiel, war natürlich der norwegische Nationaltorwart Steinar Ege.

Vor einem Spiel hast du ein Ritual. Du klopfst mit den Händen an den Torpfosten und sprichst mit  ihnen. Darf man fragen, was du sagst?
Torbjørn Bergerud: (schmunzelt) Heute bist du in meiner Mannschaft – das natürlich auf Norwegisch.